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Jay Ottaway & The Lost Boys / Next to You – CD-Review

Jay Ottaway & The Lost Boys / Next to You

Ein Tränenmeer, eine ungerechte Welt und der schwebende gute Geist von Tom Petty

87 monatliche Hörer*innen! What the f…!!
Reicht es nicht, dass unser schöner Planet doomed ist? Dass die Menschheit auch nach Jahrtausenden nichts, aber auch gar nichts hinzugelernt hat? Nein, auch bei der schönsten Nebensache der Welt (nein, nicht dieses dämliche Spiel, wo für Fantastillarden das Runde ins Eckige soll) können einem erhebliche Tränenflüsse zu schaffen machen.
Landsfrau Taylor Swift kommt derzeit auf schlappe 102,6 Millionen Swifties, während der Bostoner Singer-Songwriter Jay Ottaway es als ultimatives Karriere-Highlight verbuchen darf, in der Märzausgabe des deutschen Musiker-Fachmagazins 'Gitarre&Bass' gefeatured zu sein. Womit neben der Reichweite auch gleich der zweitgrößte Unterschied ins Auge springt: Frau Swift würde niemals in einem Musiker*innen-Fachmagazin thematisiert werden … und das explizit nicht wegen der offensichtlichen Gender-Ignoranz besagter Postille!

Jay Ottaway hat eine deutsche Ehefrau, lebte einige Jahre in Berlin und hatte seinen musikalischen Wirkungskreis in Köln. Dabei lernte er irgendwann Guido Lehmann kennen, einen Gitarristen und Multi-Instrumentalisten, der seit Beginn der 1980er Jahre in der deutschen Rock-, Blues- und Countryszene umtriebig ist und sich als kongenialer Bruder im Geiste herausstellen sollte. 2019 formierten sich schließlich The Lost Boys als deutsche Begleitband für den Bostoner Überzeugungstäter, der zu dem Zeitpunkt bereits auf etliche Longplay-Veröffentlichungen in diesem Jahrtausend zurückblicken konnte. Mit "Adrenaline Junky" kam vor zwei Jahren ihr gemeinsames Debüt raus und nun ist die Bahn frei für den Nachfolger "Next To You" beim sich immer mehr zu einer Vorzeigeadresse für handgemachte (Rock-, Blues,- Country-) Musik mausernden Osnabrücker Independend-Label 'Timezone Records'.

Im Vergleich zum Vorgänger ist nunmehr Klaus Marner am Schlagwerk aktiv, der u.a. zusammen mit Guido Lehmann noch die Rockabilly und Countryband Hillbilly Deluxe am Start und "Next To You" als Produzent und Toningenieur in den Kölner Elch Studios betreut hat. Das Mastering erfolgte tatsächlich in den berühmten Abbey Road Studios, was nicht zu Unrecht auf der Veröffentlichung prominent herausgestellt wird.
Der Entwicklungssprung dieses an Lebensjahren nicht mehr ganz so jungen Quartetts ist unüberhörbar, alleine die Aufnahmequalität hebt das neue Album auf eine solide professionelle Ebene.

Dazu kommt das ausgereifte Songwriting in der uramerikanischen Tradition solcher Vorbilder wie Bob Dylan, John Prine, Neil Young oder Tom Petty, musikalisch immer im Spannungsfeld zwischen Rock, Blues, Folk und Country angesiedelt, von der rheinländischen Connection spieltechnisch kongenial umgesetzt. Dabei glänzt allen voran Guido Lehmann an diversen völlig unverzerrten E-Gitarren, Slide, Dobro, Mandoline und Mundharmonika. Seine Selbsteinschätzung lautet: »Ich (…) bin als Gitarrist nicht besonders schnell, kein Shredder, ich mag vor allem dieses Laid-Back-Feeling á la J.J. Cale Zudem spielt der gute Mann gerne eine Fender 'Eric Clapton' Statocaster, was die Tonalität gut erahnen lässt.
Speziell bei den Pettyesken Stücken wie "Feeling Young Again" oder "Summertime Goes By So Fast" fließen wieder Tränen, so dermaßen authentisch und berührend wird hier musiziert. Keine Note zu viel, kein Firlefanz, keine Effekthascherei, Musik pur, sauber und perfekt, ohne die Seele zu verlieren eingespielt und Tom lächelt dazu anerkennend aus dem Musikerhimmel.

Abgerundet wird der ohnehin rundliche Silberling durch den Umstand, dass geradezu jeder Song des Dutzends voll ins Silberne … äh … Schwarze (es gibt derzeit leider keine Vinyl-Ausgabe) trifft und den Wunsch befeuert, dieses Album möge noch ewig weiterlaufen.

Fazit:
Zweites Album und bereits ein absoluter Volltreffer im Genre 'Americana', unaufgeregt, unspektakulär und doch umso dringlicher mit einer Authentizität, die tatsächlich nicht nur dem offenbar völlig unterschätzten Bostoner Songschmied zuzuschreiben ist. Darüber hinaus ist das Werk mit einer überdurchschnittlich guten Klangqualität gesegnet. Da sind die Zugriffszahlen bei den einschlägigen Streamingdiensten (0 Follower bei Amazon Music, Taylor Swift über vier Millionen -Deezer ein Fan, Taylor Swift 10,8 Millionen Fans) tatsächlich ein weiterer Grund, ob einer unbegreiflichen Welt mit den Tränendrüsen den partiellen Dürreperioden selbiger zu Leibe zu rücken.
Highly recommended!


Line-up: Jay Ottaway & The Lost Boys

Jay Ottaway (lead vocals, guitar)
Guido Lehmann (guitar, dobro, mandolin, harmonica, vocals)
Henrik Herzmann (bass guitar)
Klaus Marner (drums)

Tracklist "Next to You":

  1. Overload Blues (2:51)
  2. Next to You (4:11)
  3. Midnight Thunder (4:35)
  4. Five to Nine (3:20)
  5. Feeling Young Again (3:36)
  6. Summertime Goes by So Fast (4:03)
  7. Bad Karma Baby (3:19)
  8. Better Way (3:19)
  9. Can’t Sing Love Lost (4:30)
  10. Blues in the Morning (2:51)
  11. Jump Blues Blast Boys (4:14)
  12. Don’t Know Their Names (3:03)

Gesamtspielzeit: 43:53, Erscheinungsjahr: 2024

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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