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The Petards / A Deeper Blue – LP-Review

The Petards - "A Deeper Blue" - LP-Review

Die Anfänge dieser Band gehen zwar noch weiter zurück, aber erst ab dem Jahr 1964 nannte sie sich The Petards. Bestehend aus den Brüdern Klaus und Horst Ebert (jeweils Gitarre und Gesang), Rüdiger 'Roger' Waldmann (Bass) sowie Hans-Jürgen Schreiber (Schlagzeug), schrieb die Combo gleich in mehrfacher Hinsicht Geschichte. Ausgelöst durch ein Konzert musste sie sich nämlich 1966 (als wahrscheinlich eine der ersten Beat-Gruppen) vor Gericht wegen Ruhestörung verantworten. Der Richter wollte sich wohl ein ganz genaues Bild machen, ließ die Band im Gerichtssaal ihre Anlage aufbauen und spielen. Allerdings nicht wirklich lange und auch das Urteil war plötzlich ganz schnell gefällt. Stolze DM 50,00 mussten The Petards nach dem Schuldspruch blechen, was sich heute zwar lächerlich anhört, damals allerdings noch sehr viel mehr Geld war. Anfang 1967 stieg Schreiber aus und wurde durch den Drummer Arno Dittrich ersetzt. Ach ja, nochmal Geschichte: Im gleichen Jahr organisierte die Band die 'Wald Beat Show', die heute als der Ursprung von nichts Geringerem als dem Burg Herzberg Festival gilt.

Ebenso fand in diesem Jahr ein Talentwettbewerb statt, den The Petards mit fliegenden Fahnen gewannen und dann auch umgehend in ein Aufnahmestudio verfrachtet wurden. Glücklicherweise schrieben die Hessen bereits seit einiger Zeit ihre eigenen Songs, sodass für ausreichend Material gesorgt war. Ende 1967 erschien das Debüt "A Deeper Blue", das mir jetzt auf einer schönen 180g-Vinylscheibe vorliegt. Die Songs hören sich dann auch alles andere als amateurhaft an. Ein bißchen brav vielleicht noch (oder anders gesagt, deutlich softer als die Rolling Stones zur damaligen Zeit), aber das Songwriting ist durchaus gelungen und neben einigen Beat-typischen Elementen finden sich bereits leichte Spuren aus der Psychedelic in den Tracks. Jams oder Songs mit Überlänge sind allerdings nicht vertreten und außer bei "Drive" (3:26) wird die Dreiminuten-Marke kein einziges Mal geknackt. Aber gut, so waren nun mal die Zeichen der Zeit, was sich aber bald – wie wir heute alle wissen – ändern sollte.

Lässt man die bereits erwähnten Beat- und Psychedelic-Elemente mal weg, haben wir es bei diesem Debütalbum mit sehr gut gemachten Pop-Songs – gespielt auf zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug – zu tun. "Sun Came Out At Seven" beginnt die Platte recht flott und druckvoll, bevor das sehr beschwingte "Firetree" übernimmt, das gar leichte Einflüsse der Byrds aufweist. Auch das balladeske, dafür aber wunderschöne "Summerwind" überzeugt durchaus. An der Live-Front waren The Petards damals übrigens überaus erfolgreich und über lange Zeit sechs von sieben Tagen in der Woche ausgebucht, was einer Band bzw. deren Zusammenspiel immer gut tut, was man diesen Aufnahmen geradezu anhören kann, denn da greift tatsächlich ein Rädchen mühelos in das nächste. Auch die Verteilung der Lead Vocals auf (wenn ich nicht komplett daneben liege) zwei Musiker sowie sehr gut arrangierte Background Vocals tragen dazu bei, dass "A Deeper Blue" richtig gut geworden ist.

Das Label Bear Family hat seinem sehr guten Namen und seinem Anliegen (das Ausgraben und Wiederveröffentlichen alter Schätze) mit diesem Album also mal wieder alle Ehre gemacht. Die zweite Seite dieses wunderbar klingenden Vinyls hält übrigens, was die erste versprochen hat. Melodiöse Tracks, sehr gut ins Ohr gehende Refrains, clevere Arrangements und ein sauberer Sound. Bei "Love Is All Around" kommt dann sogar noch eine coole Flöte ins Spiel, was die Nummer zusammen mit dem Titelsong sowie "Confusion All Day" zu den besten des zweiten Teils gehören lässt. 1972 und nach insgesamt vier Alben war dann allerdings Schluss, wobei Bear Family Records im Jahr 1981 noch ein Album veröffentlichte, das Ende 1971 eingespielt wurde, für das damals aber kein Label gefunden werden konnte. Der Schlagzeuger Arno Dittrich ließ (als einziger Originalmusiker) die Band im Jahr 2002 für Konzerte wieder aufleben.


Line-up The Petards:

Horst Ebert (guitars, vocals)
Rüdiger 'Roger' Waldmann (bass)
Klaus Ebert (guitars, vocals)
Arno Dittrich (drums)

Tracklist "A Deeper Blue":

Side 1:

  1. Sun Came Out At Seven
  2. Firetree
  3. Summerwind
  4. If You Want To Go Away
  5. Drive
  6. I Won’t Come Back

Side 2:

  1. A Deeper Blue
  2. My Little Heart
  3. Love Is All Around
  4. Baby
  5. Roses For Kathy
  6. Confusion All Day

Gesamtspielzeit: 15:53 (Side 1), 16:20 (Side 2), Erscheinungsjahr: 2018 (1967)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

4 Kommentare

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  1. Markus

    Hallo Fried,

    danke für die Info zu der Box.

    Und du hast recht, so war wohl damals der Deal: Talent-Wettbewerb gewonnen, eine Schallplatte für ein Billig-Label aufnehmen, die dann von vornherein für DM 5,00 verkauft wurde. Erst für das zweite Album wechselte die Band dann zu einer 'besseren' bzw. ernsthafteren Plattenfirma.

    Gruß,
    Markus

    1. Fried Neumann

      Hallo Markus, noch eine Info (Quelle Good Times-Leser seit 1992) Klaus Ebert ist vor ca. 2 Jahren verstorben. Horst Ebert war nach den Petards nicht mehr Musiker, sondern bei diversen Plattenfirmen als Labelchef beschäftigt. Vor ca. 5 Jahren ist er mit einer "neuen Liebe" nach Rumänien ausgewandert.

      Gruß Fried

      1. Markus

        Hi Fried,

        dann nochmal besten Dank für die Infos! 🙂

        Beste Grüße,
        Markus

  2. Fried Neumann

    Habe die LP ca. 1969/1970 besessen. War auf dem Wühltisch bei Horten für 5,–DM zu kaufen. Fand die Songs damals auch nicht schlecht.

    Bear-Family hatte um 2004 eine große Box mit dem gesamten Material (inkl. ein paar Liveaufnahmen und ein Booklet im LP-Format) veröffentlicht.

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