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Günter Ramsauer / Songs To Remember Vol. 2 – Buch-Review

Günter Ramsauer / Songs To Remember Vol. 2

In einer Mannschaftssportart gilt die zweite Saison für einen Aufsteiger oft als die viel schwierigere, muss sich der Neuling doch gegen erfahrene Kontrahenten erst richtig durchsetzen. Im ersten Jahr konnte dieser vergleichsweise unbekümmert seine Hörner abstoßen. Somit ist die Erwartungshaltung im zweiten Durchgang eine wesentlich andere. Tun wir einfach so, als sei dieser Vergleich auf Prosa anzuwenden, wenn es ein Erstlingswerk gibt und eine Fortsetzung ansteht. Immerhin war im vorliegenden Fall die Premiere des Buches Songs To Remember. Geschichten aus der Zwischenwelt im Delta der Fußnoten Vol. 1 aus der Feder von Günter Ramsauer an mehreren Stellen geradezu euphorisch aufgenommen worden. Eine Euphorie, die ich mit Blick auf den Titel "Songs To Remember Vol. 2" nicht ansatzweise teilen kann. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Zahl der Buchseiten von 184 im ersten Teil auf nunmehr 409 geklettert ist. Die getroffene Einschätzung und die folgenden Zeilen sind rein subjektiver Natur, gebe ich unumwunden zu. Von repräsentativem Charakter können wir also nicht sprechen. Ich möchte es deshalb unbedingt erwähnt haben.

In mehreren Versuchen habe ich mich dem Buch und dessen 19 Kapiteln genähert. Immer wieder habe ich gelesen, weggelegt, gelesen … Ich habe keine Übereinstimmung mit der mir auferlegten Erwartungshaltung finden können, die bei mir durch den Titel aufgekommen war. Wir leben in einer Medienwelt mit einer schier unüberschaubaren Zahl an Büchern. Was bleibt, ist die Suche nach dem besonderen Inhalt. Nach gewünschten Inhalten mit einem plakativen Titel. Meine Intuition war es, musikalische Ansätze zur Besprechung der im Buch beziehungsweise in den Kapiteln genannten Kompositionen zu finden, um Erleuchtung zu erlangen. Immerhin ging es dabei recht prominent zu (Donna Summer, Neil Young, The Rolling Stones, James Brown, Edith Piaf, Led Zeppelin). Leider Fehlanzeige.

Autor Günter Ramsauer lebt die Prosa grenzenlos aus. Die Folge ist, dass sein Ich-Erzähler Gert Ramschweiner in sehr großer Phantasie in eine skurrile, absurde und zuweilen komische Erlebniswelt eindringt. Ab und zu spielt dabei Musik eine Rolle. Zumindest begegnen uns Kompositionen und Künstler. Den meisten Kapiteln im Buch ist zu eigen, dass der Name der Komposition erst auf hinteren Seiten erscheint und zuvor andere Musiktitel eine Rolle spielen. Warum auch immer. Im Kapitel "Von Enten und Prominenten. The Velvet Underground – Prominent" gibt es 38 Seiten. Auf der 15. dieser Seiten nennt der Erzähler zum ersten Mal besagte Band: »Dann huscht ein Lächeln über mein Gesicht und ich höre mir Lost von Died Pretty oder Prominent Man von The Velvet Underground an.« Das war es dann auch schon mit der Erwähnung auf 38 Seiten.

The Velvet Underground war eine experimentelle Rockband, die 1964 in New York City gegründet wurde. In ihrer Anfangsformation bestand sie aus Lou Reed, John Cale, Angus MacLise und Sterling Morrison. Sie standen dem Art Rock nahe, hatten sich 1973 aufgelöst und fanden später von 1992 bis 1993 noch einmal zusammen. Auf einigen Seiten tauchen Bandname und Lied in den Fußzeilen auf, die wie schon im ersten Teil oft anzutreffen sind und bis zu einer Buchseite lang sein können. Ein Fakt, der bereits in der Besprechung zu "Günter Ramsauer / Songs To Remember. Geschichten aus der Zwischenwelt im Delta der Fußnoten Vol. 1" bei RockTimes kritisiert worden war. Von wissenschaftlicher Herangehensweise kann man bei der Länge der Fußzeilen keineswegs sprechen. Eine angemessene Würdigung hätte die schwedische Pop-Gruppe ABBA durchaus verdient gehabt. "Das Bachblüten-Komplott. ABBA – Dancing Queen"  ist das zweite Kapitel überschrieben. Inhalt ist es, dass eine Frau im Discofieber, die aufgrund ihrer Gesichtszüge halb nach Gesine Schwan und halb nach Ursula von der Leyen aussieht, jenes Lied trällert. Der "König des Bachblütentees" macht "Gesine von der Leyen" zur leibhaftigen Dancing Queen. Soviel zum zweifelhaften Ruhm des schwedischen Klassikers. Damit ist es aber noch nicht getan. Wir lesen: »Zudem war Gesine von der Leyen in das Komplott eingeweiht, sie hatte einen Fruchtbarkeitstanz erfunden und hierfür ABBAs Dancin' Queen in Fertile Queen umgedichtet«. Die Umdichtung gibt es in vollem Umfang auf zwei Seiten nachzulesen. Gleichzeitig gibt es auf Buchseite 31 sieben erklärende Fußzeilen. Diese lassen immerhin noch Platz für sieben reguläre Druckzeilen.

Auf der letzten Kapitelseite heißt es: »Inzwischen ist meine Tochter längst erwachsen und ich weiß nicht, ob sie von Zeit zu Zeit Bachblütentee trinkt oder ABBAs Dancin' Queen hört«. Unsere Fußnote muss lauten: Der Autor nutzt zur Verwirrung zwei Schreibweisen: Dancin' Queen und Dancing Queen. Soviel zum Thema Musik-Journalismus. Tatsächlich war in einer Besprechung zu Teil 1 der folgende Satz zu lesen: »Das Buch "Songs To Remember Vol. 1" verknüpft Pop-Literatur mit Musik-Journalismus.« Es fragt sich nur, wo diese Verknüpfung stattfinden soll. Der erwähnte Satz ist heute noch im Netz zu finden.

"Der lange Weg nach Stammheim. Led Zeppelin – Stairway To Heaven" bietet grob Aufhellung, wohin die Reise im Erfolgsfall gehen könnte. Die Schwester des Ich-Erzählers, Anita, wird durch ihren Freund ermordet. Fortan ist das Lied eine Art stiller Begleiter. Dazu heißt es: »Mir erschien der Song nun als spiritueller Weg, den meine Schwester hatte nehmen müssen, ihren ganz persönlichen Stairway To Heaven.« Dabei hatte der Trauernde zunächst nicht viel mit dem Lied am Hut: »Damals mochte ich Led Zeppelin nicht. Besonders dieses vom Radio zu Tode genudelte Lied, das scheinbar alle mochten, der pure Mainstream.« Solche Zeilen überzeugen, das wirkt authentisch. Während Episoden rund um die Rote-Armee-Fraktion (RAF) das Kapitel klar beherrschen, taucht das Lied im Zusammenhang mit der tragisch verstorbenen Schwester immer wieder auf. Der rote Faden bleibt dennoch auf der Strecke. So wird Chance um Chance vertan, sich dem Thema Musik zu verschreiben.

Ein kurzes Kapitel zum Ausklang heißt: "Feuer und Flamme. Hans-A-Plast – es brennt". Es unterscheidet sich von anderen Inhalten dadurch, dass sich alle acht Seiten um das Musikalische der beschriebenen Band drehen. Das Erfolgsgeheimnis dieses kurzen Textes ist ganz offensichtlich, dass der Autor mit den Musikern thematisch beginnt und inhaltlich nicht mehr loslässt. Dass der Name der Band Hans-A-Plast im Text falsch geschrieben wurde, mag man trotz Lektorat vielleicht gerade noch verzeihen. Über die eklatante handwerkliche Schwäche bei der Kommasetzung im gesamten Buch darf man jedoch nicht hinweg sehen. So hinterlässt Günter Ramsauer auf 409 Seiten ein Buch, das bei einem Musikliebhaber mehr Fragen als Antworten hinterlässt.
Fazit: Wer mit der Erwartungserhaltung herangeht, er bekomme Teile eines Rocklexikons serviert oder wenigstens Erfahrungsberichte im Umgang mit bekannten Liedern, der ist hier definitiv an der falschen Adresse.


Angaben zum Buch:
Verlag: Truth & Lies Press
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 2022
409 Seiten, Softcover
ISBN: 978-3-00073-211-9
Preis: 11,65 Euro

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

1 Kommentar

  1. littlewalter

    Eins vorweg: Ich habe schon „Songs To Remember Vol.1“ genossen und Vol.2 hat mich genauso begeistert. Deshalb stehe ich dieser Beschreibung völlig überrascht gegenüber, denn eine Rezension sollte sachlich objektiv informieren, von Sachkenntnis durchdrungen sein und Orientierung geben. Das kann ich hier alles nicht erkennen. In den Büchern geht es unter anderem um Wahrhaftigkeit, um das Lernen, das Scheitern, das Lieben und um Leidenschaft. Leidenschaft für Musik und für Literatur im Taumel der Wechselfälle des Lebens. Dieses Zusammenspiel wird authentisch anhand von Kurzgeschichten aus der Sicht eines erfahrenen Mittsechzigers geschildert. Die Basis jeder Geschichte bildet die Assoziation mit der in der jeweiligen Situation verbundenen Musik-Erinnerung. NIRGENDS wird der Anspruch erhoben, es handele sich dabei um ein wie auch immer geartetes Rock-Lexikon oder es sollten Antworten auf die Fragen der Zeit gegeben werden, wie es sich der Rezensent wünscht oder wie er es zumindest herbeifantasiert. „Songs To Remember Vol.2“ ist Pop-Literatur, die nach eigenen Regeln und Stilmitteln funktioniert, ein kreatives Konzept verfolgt und höchst unterhaltsam ist, wenn es gelingt, sich in die Situationen des Gert Ramschweiner hineinzuversetzen. Der Rezensent kann offensichtlich nichts damit anfangen und kritisiert merkwürdigerweise, dass seine Erwartungen, die ER vor dem Lesen mit dem Titel des Buches verbunden hat, nicht erfüllt werden. Zum Konzept der Buch-Reihe gehört auch die Verwendung von einigen mit dem Text korrespondierenden Fußnoten. Auch dieser Zusammenhang – der schon bei Vol. 1 im Titel erwähnt wird („Geschichten aus der Zwischenwelt im Delta der Fußnoten“), wurde nicht verstanden, aber bemängelt. Daneben werden Fakten verdreht oder falsch dargestellt. Zum Beispiel wird behauptet, dass das Thema „Rote Armee Fraktion“ das Kapitel "Der lange Weg nach Stammheim“ „klar beherrscht“. Diese Wahrnehmung hatte ich nicht so in Erinnerung, deshalb habe ich nochmal nachgelesen und konnte auch danach den Vorwurf nicht nachvollziehen, weil die RAF tatsächlich nicht sehr oft erwähnt wird. Auch eindeutig widerlegen lässt sich der Punkt, dass angeblich bei "Von Enten und Prominenten. The Velvet Underground – Prominent Men“ der Song erst nach 15 Seiten Erwähnung findet. Die Story beginnt auf Seite 65 und bereits auf Seite 69 ist in der Fußnote der erste Verweis zu lesen. Ja, die Fußnoten sind sinnvoll mit dem Text verknüpft, wie schon berichtet! Dann wird noch die These aufgestellt, dass es „ab und zu“ um Musik ginge. Dabei ist die Beschäftigung mit Musik, wie sie Geschehnisse prägt oder einen therapeutischen Effekt besitzt oder einfach nur das Leben bereichern kann, der Kern JEDES Kapitels und nicht etwa nur schmückendes Beiwerk. Wie kann man das überlesen? Aber gut, dass der Kritiker wenigstens einen Schreib- und eventuelle Kommafehler gefunden hat, wenn das kein Grund zum Verriss ist! Aber wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen: Herrn Keim gelingt es, in seiner kurzen Schmähschrift sogar drei Schreibfehler zu hinterlassen. Wenn das kein Grund ist, seine Kritik zu hinterfragen! Fazit: Ein Rezensent hat aus meiner Sicht die Aufgabe selbstkritisch zu sein. Wenn er erkennt, dass er mit dem Objekt der Beurteilung – das in diesem Fall Pop-Literatur mit Fiktion und Pop-Songs verknüpft – nichts anfangen kann, hätte er die Beurteilung einem Kollegen überlassen oder seine Kritik wasserdicht analysieren sollen. Nur dann kann es ein Ergebnis geben, das wirklich Orientierung gibt. Natürlich muss man nicht die Meinung des Autors teilen, aber dann sollte man das als seriöser Kritiker auch so formulieren und nicht unhaltbare Anschuldigungen von sich geben. In der vorliegenden Ausprägung ist der Artikel jedenfalls weder von erhellenden Erkenntnissen noch von Sachlichkeit getrübt.

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