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Klaus Michel / Of Lovers, Friends & Other Enemies – CD-Review

Klaus Michel / Of Lovers, Friends & Other Enemies – CD-Review

Vor sechs Jahren habe ich das Album einer Hunsrücker Band namens Red Hill rezensiert. FUNeral heißt die Platte und bis heute steht sie ganz oben auf meiner Favoritenliste. Jeder Musikfreund der zu Besuch kommt, wird sie im Verlauf des Abends/der Nacht zu hören bekommen. Die drei Musiker von Red Hill sind der Gitarrist und Sänger Klaus Michel, Basser Kay Zingler sowie Tim Greiner am Schlagwerk.

Und nun – quasi aus dem Blauen heraus, mailte uns besagter Klaus Michel an und stellte seine neue Arbeit "Of Lovers, Friends & Other Enemies" vor. Das Besondere daran ist, dass es ein Doppelalbum ist, auf welchem sich auf beíden CDs die gleichen Tracks befinden. Allerdings einmal in Bandversion und dann solo von ihm eingespielt. Und das bringt mich in die Bredouille, denn eigentlich sollte sich eine Version herauskristallisieren, die man favorisiert. Das passiert auch, allerdings schön im Wechsel und abhängig davon, welche Ausgabe gerade läuft.

Die solo eingespielte Version lebt von intimer Stimmung, die das eine oder andere Mal an den unvergessenen Leonard Cohen gemahnt ("The Enemy" oder "Ridiculous"). Das Spiel mit der akustischen Gitarre ist direkt greifbar und die Kompositionen erscheinen roher und daher näher am Hörer, dessen rechte Hand des Öfteren auf virtuellen Saiten mitschlägt. Und doch kommt auch immer wieder dieses typische Indie-Flair in den Nummern durch, das mich bei "FUNeral" so in den Bann zog. "Life Ends With Death" hätte Bowie auch gut zu Gesicht gestanden. Dazu zeigt Klaus eine Spur Dylan und Niedecken in der Stimme. Schwach nur, aber an diese beiden Musiker musste ich spontan denken. Die mehr oder weniger akustischen Versionen zeigen aber auch die geniale und packende Auswahl der Akkorde, die sich, je nach Textpassage, durch das große Repertoire der Dur- und Moll-Tonarten bewegen.

Auch mit Band bleibt der Charme der Kompositionen erhalten. In "The Enemy" darf dann aber die Gitarre im mittlerweile unverkennbaren Klaus Michel-Stil brillieren und mit den backings von Ina Behm erfährt das Stück eine Veredelung der besonderen Art. Gewaltig der Unterschied bei den beiden "Fire"-Versionen. Wird solo besonders auf die Stimme gesetzt, um dem Stück Ausdruck und Aussage zu verleihen, bzw. den Text zu pointieren so geschieht das mit der Band erst einmal durch diese enorme Rhythmik und dann durch das Spiel und die Färbung der elektrischen Gitarre. Obwohl es musikalisch auf "Of Lovers, Friends & Other Enemies" in eine andere Richtung, als auf dem stellenweise sehr distophischen "FUNeral" geht, ist die Spielweise der Band doch stets den drei Musikern von Red Hill zuzuordnen.

Dass die Texte auf vorliegendem Album kein vokales Beiwerk, sondern durchaus zu beachten sind, macht die Musik noch intensiver. Hinzu kommt, dass das Songwriting vom Feinsten ist. Jeder Instrumenteneinsatz ist bis ins Detail ausgefeilt. Kein überflüssiger Schnickschnack, keine selbstverliebten Frickeleien und keine songundienlichen Passagen. "Still Love You My Darling" ist ein perfektes Beispiel, wie man Text und Musik miteinander verheiratet. Da passt einfach alles, ob das nun die gänsehauterzeugenden Momente sind, wenn es von der harten in die die weiche Tonart geht, die transportierte Endzeitzeitstimmung, die sich per Bassspiel bereits in der ersten Sekunde von "Still Love You My Darling" breit macht oder einfach die fast Töten-könnenden Saitenklänge.

"Higher Love" präsentiert sich mit zwei Gesichtern. Ist die von Klaus Michel solo vorgetragene Version eher in der Ecke Warren Zevon oder Bruce Cockburn angesiedelt, so wird in der Bandversion auf Reggae-Würze gesetzt.  Es ist wahrlich schwer, sich zwischen den beiden CD-Versionen zu entscheiden. Wie bereits angemerkt, begeistert immer die gerade laufende Ausgabe. Strapaziert man die CD Player-Schublade und hört sich immer nur eine Nummer in beiden Versionen an, so muss ich gestehen, haben die Bandversionen die Nase vorn. Das mag in meinem Fall daran liegen, dass ich nach dem Gitarrensound der Hunsrücker Red Hill fast süchtig bin.

Auf jeden Fall haben Klaus Michel und seine kongenialen Partner mit "Of Lovers, Friends & Other Enemies" ein saustarkes Album produziert, das sich vor internationaler Konkurrenz nicht zu verstecken braucht. Im Gegenteil. Daher einen Daumen hoch für die Soloversion und zwei weitere für die mit Band.


Line-up Klaus Michel:

Christian Majdecki (drums, extra hi-hat, percussion)
Kay Zingler (bass, backing vocals, keyboard)
Ina Behm (backing vocals)
Matthias Schmidt (pedal steel guitar)
Achim Wendling (infinite and athmo guitar)
Klaus Michel (percussion, piano, keyboard, guitar, vocals, backing vocals, ebow, rhythm box, xylophone, bass)
Anke Boveland (backing vocals)
Tim Greiner (piano, xylophone, hand pan, kalimba)

Tracklist "Of Lovers, Friends & Other Enemies":

CD 1 with Band:

  1. The Enemy (6:25)
  2. Fire (5:24)
  3. Life Ends With Death (3:35)
  4. Still Love You My Darling (5:11)
  5. Ridiculous (4:13)
  6. Goodbye My Love (6:00)
  7. Higher Love (3:51)
  8. I Understand (3:46)
  9. Why Do I Don’t Know Why? (4:32)

CD 2 solo:

  1. The Enemy (4:33)
  2. Fire (3:43)
  3. Life Ends With Death (4:08)
  4. Still Love You My Darling (3:22)
  5. Ridiculous (2:46)
  6. Goodbye My Love (4:47)
  7. Higher Love (3:57)
  8. I Understand (4:53)
  9. Why Do I Don’t Know Why? (4:13)

Gesamtspielzeit; 43:27 (CD1), 36:45 (CD2), Erscheinungsjahr: 2019

 

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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