Wahrscheinlich geht es nicht nur mir so, aber manchmal erblickt man ein Album-Cover, das einen förmlich innerhalb einer Sekunde mit »Für mich!!!« anschreit! Verbunden mit dem sicheren Gefühl, dass da keinesfalls was Übles, sondern vielmehr jede Menge geiles Zeug dahinter stecken muss. Logisch erklärbar ist sowas zwar nicht, aber Musik ist ja grundsätzlich sowieso eher Bauch- statt Kopfsache. Zuletzt erging mir das so mit der neuen Scheibe der mir bis dahin vollkommen unbekannten Band Pat Todd & The Rankoutsiders. Vom Eintreffen auf meinem Schreibtisch bis zum ersten Hördurchlauf vergingen dann zwar nochmal etwa zehn Tage, aber … von den ersten Akkorden des Openers und allerspätestens nach der ersten gesungenen Zeile des Bandleaders an hat hier eine echte 'Liebesbeziehung' begonnen. Und warum? Weil es bei dieser Band ehrlichen Rock und Rock’n’Roll von Musikern zwischen die Lichter gibt, die keine Gefangenen machen, auf nichts (erst recht nicht Verkaufszahlen) spekulieren und ihre Songs einfach nur herrlich geradlinig, mit viel Herz und Seele sowie schweißtreibend aufs Band gebracht haben.
Dabei sind die sprichwörtlichen 'Ecken und Kanten' zweifelsfrei (auch ohne in deren Ausweis zu schauen) die zweiten Vornamen der jeweiligen Musiker. Die aus Los Angeles stammende Band wird im weltweiten Netz als Punk-Band bezeichnet, womit ich jedoch absolut nicht einer Meinung bin. Aber das macht nichts, denn die Öffentlichkeit ist diesbezüglich (um namentlich nur mal Patti Smith oder Mink DeVille zu nennen) ja schon öfter gravierenden Irrtümern erlegen. Hier wird einfach nur Rock und Rock’n’Roll ohne Handbremse und doppelten Boden zelebriert, der glaubwürdiger und echter zelebriert wird, als dies bei vielen zur Zeit in der Presse so hochgejubelten Kapellen der Fall ist. Bereits die ersten beiden Tracks "All The Years #1" sowie "Cheap Nostalgia" gehen dermaßen in die Beine und den Bauch, dass der geneigte Hörer bereits automatisch am mitzappeln ist. Spätestens bei "The World Don’t Care & Neither Does She" hat der Verfasser dieser Zeilen dann auf dem Wohnzimmertisch getanzt und konnte erst nach der letzten Nummer "They’re Wrong/Dead Wrong" wieder zur Ruhe kommen.
Bei der mir vorliegenden Scheibe "There’s Pretty Things In Palookaville" handelt es sich um das mittlerweile sechste Album der Amerikaner und die Fragezeichen, wo sich diese Combo bisher eigentlich 'versteckt' hat, werden bei mir immer größer. Nach drei fetzigen Rockern wird es bei "Read 'em And Weep" dann erstmal deutlicher bluesiger und etwas ruhiger, was den Mannen um Pat Todd (hier unter anderem auch an der Harmonika aktiv) jedoch nichts von ihrer stets präsenten Intensität nimmt. Weitere Songperlen werden in Form von "True Romance", "I Will Lie To You" oder dem deutlich vom Country beinflussten "To Get That Monkey Off My Back" abgefeiert. Diese Jungs meinen tatsächlich auch, was sie da machen, das ist in nahezu jeder Sekunde dieser Platte deutlich spürbar. Für den standfesten Rocker eine schwer zu übertreffende Freitagabend-Unterhaltung.
Zu der extrem starken Musik, die hier und da auch mal eine leichte Rolling Stones-/Keith Richards-Inspiration erkennen lässt ("To Get That Monkey Off My Back" oder "Theda #2") kommt als Kirsche auf der Torte noch der Frontmann und Sänger Pat Todd, der mit Schönsingerei oder gutem Aussehen ungefähr so viel am Hut hat, wie eine Katze mit einem ausgiebigem Bad. Viel wichtiger ist aber, dass er dafür den Rock’n’Roll lebt und ihn mit aller Inbrunst auslebt, ohne growlen, krächzen oder grunzen zu müssen. Und wenn man den vermutlich (man betrachte nur sein schütteres Haupthaar bzw. seine 'Platte') bereits etwas in die Jahre gekommenen Todd so anschaut liegt die Vermutung auch nahe, dass er schon das ein oder andere erlebt sowie überlebt hat und nun glücklicherweise darüber berichten kann. Die gesamte Band ist klasse und rockt sich die Seele aus dem Leib. Die Spannung wird über die gesamte Laufzeit des Albums gehalten, was bei insgesamt 16 Tracks ja nun auch nicht unbedingt selbstverständlich ist und einen Lückenfüller sucht man ebenfalls vergeblich.
Ganz, ganz dicker Tipp für alle Rocker unter den Lesern, die ihre Rockmusik kräftig, hässlich, ohne Make-up und aus dem Leben gegriffen mögen. Dieses Review mag etwas überschwenglich erscheinen, aber "There’s Pretty Things In Palookaville" (wo zur Hölle ist eigentlich Palookaville??) von Pat Todd & The Rankoutsiders ist eines meiner absoluten bisherigen Highlights des Jahres 2021!
Line-up Pat Todd & The Rankoutsiders:
Pat Todd (acoustic guitars, harmonica, lead vocals)
Nick Alexander (electric & acoustic guitars, background vocals, lead vocals – #13)
Kevin Keller (electric & acoustic guitars, background vocals)
Stephen Vigh (bass, background vocals)
Walter Phelan (drums & percussion)
Tracklist "There’s Pretty Things In Palookaville":
- All The Years #1
- Cheap Nostalgia
- The World Don’t Care & Neither Does She
- Read 'em And Weep
- To Get That Monkey Off My Back
- Turn Back The Hands Of Time
- Money
- Little Jael
- True Romance
- I Will Lie To You
- Theda #2
- Nothing But Excuses
- Hello To Mystery
- Get Up On It
- Way Down Deep In Your Heart
- They’re Wrong/Dead Wrong
Gesamtspielzeit: 52:55, Erscheinungsjahr: 2021



3 Kommentare
Harald Birkner
27. April 2021 um 20:01 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Den Pat Todd hab ich schon in meiner Sendung bei Radio Home of Rock (Birkis Obskurien Stünderl ) gespielt . Auch seine älteren Sachen machen Spaß .
Gruß Harald .
Markus Kerren
13. Mai 2021 um 11:31 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hi Harald,
danke für den Tipp. Ich hab mir tatsächlich jetzt auch mal zwei Alben der Lazy Cowgirls besorgt, wovon aber erst eines ("Ragged Soul") angekommen ist. Auch richtig klasse (speziell die Nummer "Now That You’re Down On Me" hat es mir so richtig angetan), selbst wenn mir der Stil der Rankoutsiders besser gefällt. Aber das ist Geschmackssache. Pat Todd ist auf jeden Fall eine echte Entdeckung für mich.
Markus Kerren
14. Mai 2021 um 21:24 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Kleiner Nachtrag: Nach dem Genuss der Lazy Cowgirls ist mir jetzt natürlich auch klar, warum der Mann im Punk Rock verortet wird 🙂