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Testament / Titans Of Creation – CD-Review

Testament - Titans Of Creation

'Die neue Testament ist schon die dreizehnte' – Nicht-Metaller werden sich vielleicht über diesen Satz wundern und meinen, dass es 'das' Testament heißt und es nur ein neues gibt. (Nicht nur) Thrasher wissen natürlich, dass die Band aus der Bay Area gemeint ist. Diese gibt es nun schon seit 1983 (noch unter dem Namen Legacy) bzw. seit 1986 als Testament. 1987 erschien das Debüt "The Legacy", das mich damals stark beeindruckt hat (vor allem "Alone In The Dark") und zu meinen Thrash-Favoriten aus den 80ern zählt. Im gleichen Jahr fand die erste Europa-Tour als Support von Anthrax statt – damals durfte ich beide Bands im Eltzer Hof in Mainz erleben.

Das nächste Mal, dass ich sie live gesehen habe, war 1992 auf dem Superrock in Mannheim und dann erst wieder 2016, dieses Mal im Vorprogramm von Amon Amarth in der Offenbacher Stadthalle. Dieses Mal mit großartigem Bühnenaufbau zu der damals aktuellen "Brotherhood Of The Snake", der zweiten Scheibe mit Gene Hoglan (der immer noch als Schlagzeuggott gilt) – nach "Dark Roots Of  Earth", die ich ziemlich gelungen fand und seitdem schenke ich Testament wieder mehr Beachtung.
Der Rest vom aktuellen Line-up ist ebenfalls stark: Die Gitarristen und Gründungsmitglieder Eric Peterson und Alex Skolnik (er war allerdings nicht durchgehend dabei) verstehen ihr Handwerk und liefern auch auf der neuen Scheibe großartige Soli. Steve DiGiorgio ist ein klasse Bassist und Chuck Billy ist sowieso (für mich) das Hauptargument, Testament zu hören. Ich mag seine Stimme einfach, obwohl er live zeitweise schon geschwächelt hat.

"Titans Of Creation" besticht schon äußerlich mit einem schönen Coverartwork. Das, was sich hinter dieser Hülle verbirgt, ist auch mächtig ausgefallen: Eine Stunde traditioneller Thrash, der jedoch nicht altbacken wirkt und sogar offen für andere Einflüsse (z. B. Death- / Black Metal) ist. Klar, etwas musikalisch wirklich Neues ist dabei nicht zu erwarten. Manche Stücke sind vielleicht ein wenig zu lang (über sechs Minuten) für diese Sparte – und genau diese gab es (mutig) vorab als Videos.
Wobei "Children Of The Next Level" so gelungen ist, dass es mich nicht stört, insbesondere wenn ich mir den Clip mit seiner Animation ansehe, der die Musik gut ergänzt. Das Video zu "Night Of The Witch", das von dem 2015er Horrorfilm  "The VVitch: A New England Folktale" beeinflusst wurde, setzt hingegen auf Realfilm, wobei auch dieser Song stark ist, am Schluss schön unheimlich und zwischendurch klingt die Stimme herrlich 'böse'.

Noch etwas länger ist "City Of Angels", das recht langsam und düster daherkommt, deshalb schon etwas ungewöhnlich wirkt – was ich aber als Auflockerung und Erweiterung des musikalischen Spektrums begrüße. "Dream Deceiver" hingegen überzeugt durch die einprägsame Titelzeile, auch "Code Of Hammurabi" hat Zeilen (»An eye for an eye« ), die hängen bleiben. Der Songtext, sowie der von "Ishtar’s Gate", beziehen sich auf das alte Babylon.
Ebenfalls erwähnen will ich "The Healers", weniger wegen der Musik, mehr aufgrund des Inhaltes: »The words are spiritual, and extremely personal. They describe Billy’s own experience dealing with all natural medicine men; the elders of the earth, and how they managed to help him pinpoint and heal his past illness.« Dies bezieht sich wohl auf den Tumor, der 2001 bei Chuck festgestellt wurde, ein Keimzellen-Seminon, wovon er nach einer Chemotherapie seit 2003 als geheilt gilt. Zudem kommt hier die spirituelle Seite von ihm zum Tragen – er gehört den 'Pomo' (amerikanische Ureinwohner) an. Damit gibt es einen Aspekt bei Testament, der sie von anderen Thrashern unterscheidet, siehe auch die Zuordnung der Musiker zu Elementen.

Eher 'klassische,' an die 80er erinnernde Inhalte, gibt es bei dem recht flotten "WWIII", das auch musikalisch von damals stammen könnte. Natürlich haben die Jungs sich seitdem spieltechnisch verfeinert, jedoch nicht viel verändert, sollten damit keinen Fan enttäuschen, im Gegenteil.
Womit ich beim Fazit wäre: 2020 empfinde ich traditionellen Thrash schon ein wenig überholt, weil es darin kaum neue Impulse gibt. Auf "Titans Of Creation" gelingt es dennoch, zumindest ein paar davon zu setzen. Wenn ich derzeit zu einer Scheibe aus diesem Genre greifen will, dann ist die dreizehnte Testament ein guter (der beste?) Kandidat dafür.


Line-up Testament:

Chuck Billy (lead vocals)
Eric Peterson (rhythm/lead guitar & vocals)
Alex Skolnick (lead guitar)
Steve Di Giorgio (bass guitar)
Gene Hoglan (drums)

Tracklist  "Titans Of Creation":

  1. Children Of The Next Level (6:13)
  2. WWIII (4:48)
  3. Dream Deceiver (4:58)
  4. Night Of The Witch (6:32)
  5. City Of Angels (6:43)
  6. Ishtar’s Gate (5:09)
  7. Symptoms (4:37)
  8. False Prophet (4:54)
  9. The Healers (4:23)
  10. Code Of Hammurabi (4:52)
  11. Curse Of Osiris (3:52)
  12. Catacombs (2:01)

Gesamtspielzeit: 58:34, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Andrea Groh

Hauptgenres: Doom/Death/Black Metal, auch Post/Progressive/Pagan Metal u.a.
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