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Tony Williams / Play Or Die – CD-Review

Tony Williams / Play Or Die

Mit Tony Williams (Anthony Tillmon Williams) verstarb ein großartiger Musiker viel zu früh im Alter von einundfünfzig Jahren. Der Schlagzeuger lebte vom 12. Dezember 1945 bis zum 23.Februar 1997. Seine musikalische Karriere startete bereits recht früh, nach dem Schlagzeugstudium beim Kollegen Alan Dawson spielte Williams bereits im Alter von dreizehn Jahren mit dem Saxofonisten Sam Rivers zusammen. Schon drei Jahre später heuerte ihn Jackie McLean an, um in seiner Band zu spielen.

Den Durchbruch erzielte er jedoch, als er 1963 von Miles Davis rekrutiert wurde. Viele Jahre spielte er im legendären Second Great Quintet zusammen mit Herbie Hancock, Ron Carter und Wayne Shorter, bis 1969 ("In A Silent Way"). Daneben gab es zwei Solo-Alben, "Life Time" (1964) und Spring (1965/66), bis dann ein wahres Jahrhundertwerk mit dem Doppel-Album Emergency! erschien, unter dem Bandnamen The Tony Williams Lifetime mit John McLaughlin und Larry Young.

Und so blieb es stilistisch auch nicht beim Jazz allein, in die Jazz Rock-/Fusion-Bewegung wagte sich der Drummer als The New Tony Williams Lifetime, und wichtige Zusammenarbeiten gab es mit The Great Jazz Trio, Trio Of Doom oder Arcana. Daneben spielte Williams auch als Sideman mit solchen Musikern wie Chet Baker, Ron Carter, McCoy Tyner, Sonny Rollins, Santana, Weather Report, Yoko Ono, Public Image Limited (PIL) oder Marcus Miller. Sein letztes Album war ein Trio-Album mit Mulgrew Miller und Ira Coleman, "Young At Heart" (1996). In der Zwischenzeit hatte sich der Mann wieder zurück besonnen auf die Wurzeln und spielte eine moderne Bop-Variante, seit 1985.

Dazwischen, wir schreiben das Jahr 1980, fällt ein Ereignis, das nun mit der Musik auf "Play Or Die" dokumentiert ist. MIG Music war es gelungen, einen Vertrag mit der Witwe des Drummers, Colleen Williams, abzuschließen, um das seinerzeit fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit erschienene Album neu zu veröffentlichen. Bislang gab es diese Aufnahmen nur im Rahmen einer auf 500 Platten begrenzten Vinyl-Auflage. Das Album wurde liebevoll von Johannes Scheibenreif aufgearbeitet und restauriert und ist als CD, ebenso wie digital als Download und Stream wieder verfügbar. Eine Vinyl-Ausgabe soll es später noch geben. Eingespielt wurden die fünf Songs am 30. und 31.Mai 1980 im Tonstudio Zuckerfabrik in Stuttgart.

Tony Williams besaß eine besondere Art des Schlagzeugspiels, die ihn sehr abhob von vielen anderen Drummern, diese fantastische Zusammenarbeit der Becken mit Crash und Ride, dazu die wuchtigen Schläge auf den Toms, unterstützt durch den druckvollen Einsatz der Bass-Drum, ein Sound, der sich bei der Zusammenarbeit mit Miles Davis bereits andeutete, als er mit höllischem Tempo einige Stücke antrieb, und seine Individualität spätestens ab "Emergency!" noch verstärkte. Auf jeden Fall besaß sein Stil hohen Wiedererkennungswert.

Und genau das erkennt man auch auf diesen Stücken. Eigentlich ist die Musik ein Showcase seines Drummings. Denn die Begleiter Grant und O’Hearn treten hinter seiner Präsenz mitunter deutlich zurück. Somit gelingt es dem Keyboarder Grant auch nicht immer, als eigentlicher Solist wirklich vordergründig zu wirken. Vielmehr spielt er oft breite Soundscapes, die über dem Spiel von Williams mitunter gar verlangsamt wirken. Eigentlich ist das auch gar nicht so schlimm, denn das, was Williams hier abliefert, fesselt zunächst total. Man hat das Gefühl, dass ihm bei diesen Einspielungen völlig freie Hand gelassen wurde, so kann er mit seinen Drums einschmeicheln, losbrettern, hämmern, swingen, ausbrechen, doch dabei stets den Rhythmus nicht aus den Augen verlierend. Der "Beach Ball Tango" ist in dieser Hinsicht ein wahrer Ohrenschmaus!

Druckvoll rockend zieht der "Jam Tune" durch die Szenerie, ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich der Mann spielen konnte, er beweist hier erneut seine große Vielseitigkeit und seinen Sonderstatus als Drummer. Mit dem einzigen Gesangstitel der Platte, "There Comes A Time", einst für das Album "Ego" aufgenommen, werden wir in einem jazzigem Modus verabschiedet.
Ja, gesungen hat der Tony auch, aber wirklich gut klang das nie, schon damals zu Zeiten von "Emergency!" nicht. Aber es passt einfach gut hinein, es ist Teil dieses speziellen Gesamtsounds.


Line-up Tony Williams:

Tony Williams (drums, percussion, vocals)
Tom Grant (keyboards, synthesizer)
Patrick O’Hearn (electric bass)

Tracklist "Play Or Die":

  1. The Big Man (6:41)
  2. Beach Ball Tango (11:11)
  3. Jam Tune (9:43)
  4. Para Oriente (6:33)
  5. There Comes A Time (5:38)

Gesamtspielzeit: 39:48, Erscheinungsjahr: 2022 (1980)

Über den Autor

Wolfgang Giese

Hauptgenres: Jazz, Blues, Country
Über mich: Althippie, vom Zahn der Zeit geprägt, offen für ALLE Musikstile
Meine Seite im Archiv

Mail: wolfgang(at)rocktimes.de

2 Kommentare

  1. NikoWohltmann

    M.E. war turn it over das Meisterwerk. Es handelt sich dabei um die genanten Musiker + Jack Bruce.

    Gruß
    Nico

    1. Manni

      Ich halte die Platte "Tony Williams Life Time" aus 1964 immer noch für DAS Werk des Drummers, eben Jazz in Reinkultur. "Turn it over" war – obwohl auch sehr gut – aber dann doch schon Jazzrock-Fusion. Tolle Musik, andere Richtung. Eine Richtung, die mir auch immer zusagte: Jack Bruce’s "Things we like" aus 1970 z.B. Eine Allstar Band mit John McLaughlin, Jon Hiseman und Dick-Heckstall-Smith (Quasi die Hälfte von Colosseum).

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