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André Bauer – The Dream Behind The Wall – Buch-Review

André Bauer – The Dream Behind The Wall

Der Untertitel des Buches lautet: »Eine Story aus dem Leben eines DDR-Amateurmusikers« – und davon gab es rund 5000 in der ehemaligen DDR. Kaum ein Wochenende verging, an welchem nicht auf irgend einem Dorf in irgendeinem Kulturhaus (so nannte man damals die Tanz- und Veranstaltungshäuser) zu Disko- oder 'Bums'-Musik aufgespielt und das Tanzbein geschwungen wurde, egal ob irgend ein staatlich verordneter Feiertag anstand, oder ein ganz gewöhnlicher Samstagabend.
Für die musikalische Unterhaltung sorgte entweder ein Plattenaufleger oder eben eine der vielen Amateurbands – und für die feuchtfröhliche reichlich Alkohol.

Der Autor des vorliegenden Buches, André Bauer, war selbst einer dieser Amateurmusiker, er war Sänger. Sehr eindrucksvoll schildert er den Werdegang eines zukünftigen 'Stars auf der Bühne'.
Die ersten Gehversuche begannen meistens in einem Pionier-Chor und fanden ihre Fortsetzung in einem der vielen (schulischen) FDJ-Singeclubs. Dieser »diente der Verbreitung von sozialistischem und kommunistischem Liedgut«, hin und wieder wurden jedoch auch Volkslieder geschmettert. Auch die Rezensentin hatte übrigens das zweifelhafte 'Vergnügen', in einem der Singeclubs ihre Stimmbänder 'ertönen' zu lassen.

Leicht war es für einen DDR-Musiker nicht, eine Band zu gründen, geschweige denn die notwendigen Instrumente, die dazugehörige Technik sowie diverse Transportmöglichkeiten zu bekommen. Da half in der Regel nur Vitamin B (Beziehungen).
Unabdingbar waren außerdem die Einstufungen, damit eine Kapelle von den Veranstaltern überhaupt ein bisschen Zaster (Bezahlung) bekam. Hatte man die Grundstufe bekommen, war es immer noch ein langer Weg bis man über die Mittel- und Oberstufe irgendwann mal die 'Oberstufe mit Konzertberechtigung' erhalten würde, ganz zu schweigen vom Berufsausweis, um später als sogenannter Berufsmusiker auf den Brettern stehen zu können, die die sozialistische Welt bedeuteten. Und wer saß in der Jury? SED-Bonzen des Kreiskulturkabinetts!

Andrè Bauer, geboren 1968 in Thüringen in dem kleinen aber feinen Städtchen Apolda und jetzt wohnhaft in Jena, war in den 80er Jahren Frontman der Bands Sisyphus und Vamp, die niemals Rockgeschichte geschrieben haben, aber trotzdem beharrlich ihren Träume folgten. Sie gehörten ebenfalls zu den vielen Amateurbands, die damals immer wieder um Auftritte kämpfen mussten, um zum Tanz in Kultureinrichtungen oder Studentenclubs aufspielen und so auch mal dem eintönigen Alltag entfliehen zu können. Ihr Leben als 'zukünftige Rockstars' war lang und steinig, bedeutete Licht und Schatten. Man lernte Miezen (Groupies) kennen, aber auch total versiffte Toiletten, die Verpflegung war mal mehr, mal weniger 'berauschend', abgesehen vom stets reichlich fließenden Alkohol.
Es gab schon mal Ärger mit engstirnigen Funktionären aber auch Hilfe von völlig unerwarteter Seite, es gab Höhen und Tiefen, Enttäuschungen und Hoffnungen.

Als der Kulturbetrieb nach der Wende vollends zusammenbrach, bedeutete das auch das Aus für André Bauers Kariere am Mikrofon. Heute managt er selbst regionale Bands, wobei ihm seine Erfahrungen als ehemaliger Amateurmusiker, verbunden mit dem entsprechenden Durchsetzungsvermögen, sicherlich sehr hilfreich sind.

Bauer erzählt nicht in nostalgischer Verklärtheit, aber er gewährt dem Leser einen tiefen Einblick in die damalige Musikszene in und um Apolda, in Weimar und später zum Teil auch in Jena.

Ein detailreich geschriebenes Buch, welches mit einmaligen Originalaufnahmen aus der damaligen Zeit, den Örtlichkeiten der Handlungen und aus dem Band-Alltag sowie von diversen Dokumenten bebildert ist. Sehr aufschlussreich auch für spätgeborene Ostrock-Leserinnen und Leser, aber nicht nur für diese. Ich für meinen Teil habe die Lektüre mit großem Interesse gelesen.

Gegen einen Aufpreis von 4,00 € kann der Leser noch eine CD mit Fünf Tonmitschnitten der Band Sisyphus aus Apolda (1983-1985) erwerben.


Angaben zum Buch:

Verlag: Blueprint. edition Galerieverlag
2. Auflage (2019)
Taschenbuch, 355 Seiten mit vielen s/w-Fotos
ISBN 978-3-96567-002-0
17,20 EURO

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
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Mail: ilka(at)rocktimes.de

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