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Klaus Michel / The End – CD-Review

Klaus Michel / The End

Der Hunsrücker Musiker Klaus Michel präsentiert nach Lovers, Friends & Other Enemies und Primavera nun mit "The End" sein drittes Album innerhalb von drei Jahren. Und um gleich die Befürchtung zu nehmen: Der Albumtitel bedeutet nicht das musikalische Ende dieses genialen Musikers, der seit 2021 auch Träger des deutschen Rock und Pop Preises ist.

Im Gegenteil, denn mit "The End" bringt Klaus ein vielseitiges Hammeralbum an den Start. Vielseitig, weil sich stilistisch einiges die Klinke in die Hand gibt und hammermäßig, weil sich da Perle an Perle reiht. Zum anderen heißt es zu "The End", dass »etwas endet, etwa Neues beginnt.«. Der Künstler selbst scheint eine Art Zäsur zu ziehen, denn neben der Corona Pandemie haben wohl auch private Veränderungen ihren Einfluss auf die Musik des Albums. »Blicke zurück, Aufbruch und Mut für neue Wege«, ist im Pressetext zu lesen.

Es scheint ein sehr persönliches Album zu sein, das Klaus Michel nach einem Jahr Arbeit daran nun endlich seinen alten und hoffentlich zahlreichen neuen Fans präsentiert. Die Texte zu den Stücken sind auf seiner Website zu lesen und es lohnt sich, darin zu blättern, denn wie auch die Musik, haben sie Tiefe. Italien scheint eine große Rolle in Klaus' Leben zu spielen, denn "The End" ist in vier Abschnitte unterteilt und diese heißen "Fase Uno" bis "Fase Quattro"; untertitelt als Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Außerdem sind mit "Bergamo" und "Borgoratto" zwei italienische Orte als Tracknamen verewigt und wenn man Klaus Michel auf Facebook im Auge hat, finden sich immer wieder Hinweise auf dieses Land – seien es Speisen und Getränke oder auch Touren mit dem Bike durch die Landschaften Italias.

Stilistisch geht es von höchst anspruchsvollem Pop (Noch etwas Piano und "The End Of The Road" wäre eine astreine Billy Joel-Nummer) über etwas Folk ("Yesterday, Today And Tomorrow" gemahnt zu Beginn in der Tat etwas an den guten Dylan, bis Pedal Steel und Mandoline ein gelungenes Americana/Country-Feeling zaubern) hin zu mitreißendem Indie- und Psychedelic Rock.

Gleich die erste Abschnittsmarkierung, "Fase Uno", macht mir klar, dass mir die neue Platte gut beigehen wird, denn da ist die mir so vertraute und geliebte Färbung der Gitarre, die mich sofort an die Klangwelt von FUNeral erinnert. Aber da Michael auch als Gitarrenlehrer unterwegs ist, hat er weit mehr in petto und kann seinen Instrumenten viele weitere Klangbilder entlocken. Hinzu kommt kongeniale Unterstützung von 18 Mitmusikern, die "The End" zu einem musikalischen Highlight werden lassen.

Americana auf der einen und Psychedelic auf der anderen Seite sind die stilistischen Eckpfeiler auf dem Album. Dabei schafft es Klaus immer wieder, dass der Hörer auf der Suche nach Vergleichbarem an große Namen denken darf. Ich sage 'darf', denn Klaus Michel ist nicht bemüht wie X oder Y zu klingen, seine Kompositionen spielen sich einfach oft in der gleichen Liga ab. So hat "Dreams" diese Spur Robert Plant & Alison Krauss (Raising Sand), was sicherlich auch den Backings von Ina Behm geschuldet ist. Diese gemäßigte Americana-Nummer tropft vor Gefühl und bietet ausdruckstarkes Gitarrenspiel – ob nun von der Akustischen oder der Elektrischen.

Bei einem der vier Songs, die für mich die absoluten Meisterstücke diese Platte sind – bei "I Don’t" nämlich – kommt es mir vor, als verschmelzen hier Red Hill mit den Manic Street Preachers zu Postcard-Zeiten, um ein psychedelisches Feuerwerk abzuschießen. Klaus zaubert mit der Gitarre Klänge und Stimmungen, die wie Lavalampenschatten stoisch durch eine Fantasiewelt mäandern. "It’s Over" ist 'mein' Meisterstück Nummer zwei. Es handelt sich um saugeile Indie-Psychedelic; Psychedelic, die an die Sechziger gemahnt. Klaus spielt eine süchtig machende Elektrische, während Bass und Drums weit mehr als nur den Teppich bereitlegen.

Ich mache gleich mit dem nächsten Masterpiece weiter. "Rain In May" touchiert ebenfalls den psychedelischen Geist, hat eine tolle Hookline und dann die Gilmour-Gitarre von Thomas Torkler, sowie das Pedal Steel-Spiel Dietmar Wächters … Dazu dieser  hypnotisch wirkende Rhythmus. Irre.
Der Vierer im Bunde hört auf den Namen "All The Way Down". Die leicht verzerrte Indie-Gitarre oszilliert im Doom-Tempo düster und melancholisch durch das Geschehen. Das akzentuierte Spiel sowie die gesamte Choreografie jagen einem einen Gänsehautschauer nach dem anderen den Rücken runter.

Programmiert man den Player um diese vier Meisterstücke herum und fokussiert sich auf die anderen Tracks, dauert es nicht allzu lange bis man zu dem Schluss kommt, dass weit mehr Meisterstücke vorhanden sind – abseits der Psychedelic.

Indiegitarre, verzerrt im Doom-Tempo und in düsterer bzw, melancholischer Stimmung mit einer Melodie und akzuentiertem Gitarrenspiel, dass es einem einen Gäsenhautschauer nach dem anderen beschert. Keine Frage, ein weiteres Meisterstück. So geht es zum Beispiel ruhig und atmosphärisch nach "Bergamo". Zart erklingt die akustische Gitarre und fast scheint es, dass die Drums die erste Geige spielen, wäre da nicht die unter die Haut gehen Stimme von Yonka Cakao, die uns wortlos durch eine Traumwelt führt, in der sich langsam auch die elektrische Gitarre zu Wort meldet.

Oder "Borgoratto" mit einer ebenfalls  gekonnten Hookline und einem einnehmenden Rhythmus. Ein schöner Song irgendwo im Dreiländerecke Pop, Indie und Americana. So etwas muss erst mal komponiert sein und sollte, wie auch "The End Of The Road" problemlos im Radio laufen können. Im Erwachsenenradio mit Anspruch.

Abschließend bleibt nur zu sagen, dass das neue Album von Klaus Michel meine Erwartungen bei Weitem übertroffen hat und ich jetzt schon rätsele, wie er das bei seinem nächsten toppen will. Bis dahin werde ich "The End" erst mal nicht ins Regal stellen, sondern ganz in der Nähe des Players platzieren. Und beim Abspielen immer sinnieren, wie diese Nummern wohl live abgehen müssten.
Klarer Tipp und nichts anderes!


Line-up:

Klaus Michel (electric guitars, acoustic guitars, vocals, backing vocals, string ochestra, additional drums, percussion, keyboards, harp, piano, bass)
Klaus Zingler (bass, backing vocals)
Oliver Kölsch (drums)
Tim Greiner (string ochestra, keyboards, bass clarint))
Jürgen Hallfell (backing vocals)
Jutta Spang (backing vocals)
Markus Milz (backing vocals)
Peter Dümmler (acoustic guitar)
Martin Huch (pedal steel guitar, mandolin)
Thomas Jung (keyboards, accordion, synthesizer)
Yonka Cakao (voice)
Ina Behm (backing vocals)
Wolfgang Behm (backing vocals)
Christian Majdecki (percussion)
Matthias Huber (percussion)
Mr. Gregg (backing vocals)
Thomas Torkler (solo guitar)
Dietmar Wächter (pedal steel guitar)
Nella Ramondo (spoken words)

Tracklist "The End":

  1. Fase Uno
  2. Wave After Wave
  3. The End Of The Road
  4. Fase Due
  5. It’s Over
  6. Bergamo
  7. Yesterday, Today And Tomorrow
  8. The Eclipse
  9. I Don’t
  10. Fase Tre
  11. Dreams
  12. Rain In May
  13. Borgoratto
  14. All The Way Down
  15. Fase Quattro (Bergamo Reprise)

Gesamtspielzeit: 54:57, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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