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Send Medicine / By Telepathy & Reputation – CD-Review

Send Medicine / By Telepathy & Reputation

Ursprünglich wurde Send Medicine von Julian Hacquebard als Freak-Folk-Soloprojekt in Toronto gegründet, bis er sich 2012 in Los Angeles nieder ließ. Kein Wunder, ist L.A. doch geradezu ein musikalischer Schmelztiegel.

"By Telepathy & Reputation" ist der mittlerweile dritter Longplayer der Band. Doch bis zu dessen Veröffentlichung hat man sich mehr als eine Dekade lang in den verschiedensten Genres ausgetobt: Ob 60s Folk, Britpop, Psychedelic Jazz oder Deep Psych bis hin zu Electronik, der Experimentierfreude wurden keine Grenzen gesetzt.

2019 ging die Band wieder ins Studio, um ihr neuestes Album zu vollenden welches über das bandeigene Label Very Possible Records veröffentlicht wird. Auf verschiedenen Musikfestivals in Kalifornien, die sie als Headliner bestritten als auch als Support für die US-Amerikaner und Psychedelic Rock-Legenden The Warlocks bekamen sie die Gelegenheit, einige der neuen Stücke, vorzustellen.
Das Ergebnis der Studioarbeit sind neun Songs, die sich allesamt im Alternative Rock mit stark psychedelischem Einschlag suhlen. Nach dem ersten Hördurchgang hatte ich den Eindruck: klingt alles gleich.
Doch der erste Eindruck täuscht tatsächlich oft genug. Dem Album mit voller Konzentration lauschen, dazu ein Gläschen Wein und man wird feststellen, mit wie viel Detailverliebtheit die Jungs hier ans Werk gegangen sind.
Man fühlt sich zurück versetzt in die 60er Jahre, als Bands wie The Animated Egg, Bow Street Runners, Clear Light (die beiden letzteren aus L.A.!) und unzählige andere wie Pilze aus dem Boden schossen.

Aber Send Medicine sind nicht in dieser Zeit stehen geblieben, sie lassen die musikalischen Wurzeln in den 60ern, verpflanzen aber die Absenker dieser Musik ins Hier und Jetzt.
Ryan Glennan haucht seine Texte ins Mikro, unterstützt im Backing durch Marc Agostine und Julian Hacquebard, was eine fast tranceartige Stimmung verbreitet. Dazu passend umhüllt eine flirrende Gitarre die Songs wie ein federleichtes Seidentuch.
Überhaupt nehmen die Gitarren einen sehr breiten Raum bei allen Stücken ein, so dass man nicht das Gefühlt hat, mit reinen Synthesizerklängen vollens zugekleistert zu werden, auch wenn diese für den einen oder anderen atmosphärischen Part sowie außergewöhnliche Tonfolgen eingesetzt wurden, wie zum Beispiel beim Opener "Trouble".
Ab und zu lässt man mal ein paar fröhliche Jauchzer vom Stapel, was für mich darauf deutet, dass Send Medicine unheimlich viel Spaß beim Einspielen ihrer Songs hatten.

Immer wieder origenll, dass der Hörer an eine angenehm eingängige Melodieführung gewöhnt wird, sich davon treiben lässt, bis der Song plötzlich jedoch beim Refrain in völlig schräge Klänge abdriftet, wie das u. a. bei "Scorpio Long Ago" der Fall ist.

Ja selbst ein Wah-Wah kommt zum Einsatz, so geschehen bei "Roses Are Contagious At Dawn" und beim darauf folgenden "Alligator Lady" wird auch schon mal etwas mehr Druck auf den Kessel gegeben, das Stück rockt tatsächlich ordentlich und endet in einer richtigen Kakophonie.

Was haben wir noch? "Second Biggest Fan" ist eine unaufgeregte Ballade mit einem etwas leicht schräg geratenem Gitarrensolo und dem unvermeidlichen Wah-Wah als Sahnehäubchen.
"High In The Rain" startet plötzlich mit einer weiblichen, recht kräftigen Gesangsstimme im Duett mit Julian Hacquebard. Nach langem Suchen fand ich einen kleinen Hinweis auf dem CD-Cover, auf welchem einer Lauren Ruth Ward für die Begleitung auf "High In The Rain" gedankt wurde.

Der gesamte Aufbau in "Evangelic Designer" lässt mich Vergleiche zu den Manic Street Preachers ziehen. Zumindest bis zu dem Moment, als der Song plötzlich die Handbremse los lässt und in ungeahnte Sphären ausbricht. Das hat fast schon wieder zeppelineske Züge.
Wie ich bereits geschrieben habe, man ist vor Überraschungen bei dieser Band einfach nicht sicher. Zum Abschluss gibt es noch einmal ordentlich eins auf die Rocker-Mütze, Drummer David Ozinga und Trevor Tallakson am Bass bilden das Grundgerüst und treiben die beiden Gitarristen ordentlich nach vorn. Jeder der beiden darf noch einmal mit einem feinen Gitarrensolo seine Duftmarke hinterlassen und sich so nachhaltig vom Zuhörer verabschieden.

Fazit: Unaufgeregter, aber dennoch sehr hörenswerter und für meinen Geschmack klasse umgesetzter Psychedelic Pop/Psychedelic Rock, der im 21. Jahrhundert angekommen und nach wie vor seine Berechtigung hat. Auch die musikalische Qualität ist über alle Zweifel erhaben. Ich habe viel Freude mit dem Album gehabt.


Line-up Send Medicine:

David Ozinga (drums)
Trevor Tallakson (bass, piano)
Ryan Glennan (vocals, theremin, synthesizer)
Marc Agostine (guitar, vocals)
Julian Hacquebard (vocals, guitar, piano, sythesizer)

Setlist "By Telepathy & Reputation":

  1. Trouble
  2. To Photograph Mary
  3. Scorpio Long Ago
  4. Roses Are Contagious At Dawn
  5. Alligator Lady
  6. Second Biggest Fan
  7. High In The Rain
  8. Evangelic Designer
  9. Days Go By

Gesamtspielzeit: 40:42, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
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