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Buchwald / Escape From What Life Is – CD-Review

Buchwald / Escape From What Life Is – CD-Review

Hannover gilt als eine der Schmieden deutscher Rockbands und auch Andreas Buchwald ist ursprünglich dort angetreten und zwar vor 30 Jahren, als er mit Andreas Gimpel die Dark Wave-Band Remain In Silence gründete. 2016 gab es mit "… And The Soul Goes On" das letzte musikalische Lebenszeichen der Band, sodass Freunde des Genres sicherlich aufatmen und gespannt auf das erste Soloalbum des Gitarristen und Songwriters Andreas Buchwald schauen.

Dass die Platte bei Sireena erscheint, verwundert kaum, denn Labelboss Tom Redecker hat ein Faible, ein Händchen und auch das passende Gespür, wenn es darum geht, gerade Musik(er) aus Deutschland unter seine Fittiche zu nehmen. So ist nun auch die eher düstere Sparte des Rock im Portfolio, aber im Vergleich mit Remain In Silence geht Andreas hier einen Schritt weiter, taucht tiefer ein in eine Welt, die weder musikalisch noch textlich von Sonnenlicht durchflutet ist.

Bereits der Albumtitel regt zum Nachdenken an. Das Coverbild – was ist da zu sehen? Ein Stück Papier, auf dem die Geschichte des Lebens geschrieben steht und dass nun zerknüllt als Altpapier andere Wege geht? Da darf ein jeder seine eigene Deutung einbringen. Und dann die Texte, die sollte man, ja, die muss man zur Hand nehmen, wenn man die Musik hört. Der Künstler thematisiert darin »einschneidende persönliche Erfahrungen« und sie handeln von »Vergänglichkeit, Verlust, Aufbruch und der Kraft der Imagination«.

Genaueres können diejenigen direkt vom Künstler erfahren, die am 15. April 2023 ins Lauenauer Kesselhaus gehen, wo das Album vorgestellt wird und es auch ein Bühnengespräch über die Platte gibt.

Schon das Eröffnungsstück "What Colour Has Your Pain" legt in düsterer Wave-Tradition die Marschrichtung fest – auch textlich. Die leicht verzerrte Stimme sowie elektronische Kälte sorgen für erste Schauer. Nicht minder mitnehmend ist "Ritual" – mit diesem hypnotisierenden, tribalhaft treibenden Rhythmus, der in der Tat an eine rituelle Zeremonie gemahnt.

"Dark Clouds" nimmt das Tempo raus und mäandert durch trostlose Landschaften. Wenn das Label den Stil als »Cinematic Post-Wave« bezeichnet, hat es recht, denn man fühlt sich mitten in einem dystopischen Film. Ähnlich zurückgenommen schließt sich "Nightbird" an. Mit minimalistischen Mitteln schafft der Künstler eine enorme atmosphärische Dichte, bis der Minimalismus nach der Hälfte der Spielzeit großformatig wird und fast Klangwände gebaut werden.

Das Instrumental "Corridor" erscheint nach dem bisher Gehörten wie ein Lichtstreifen am dunklen Horizont und wirkt tatsächlich wie ein Korridor, der verschiedene Tempi trennt, denn "Artifacts" rast mit schnellem percussiven  Tempo daher, wird allerdings von ruhigen Tastenklängen begleitet – und von Gastsprecher Perrineau (Eruption) textlich versorgt.

"Slow Poison" versetzt den Hörer in eine kalte Industriehalle, in der eine Maschine unaufhaltbar vor sich hin dröhnt während peitschende Klangfetzen den Gesang begleiten … bis "Neverland" dezent und unaufgeregt übernimmt und zarte, traurig klingende Pianosaiten die Komposition umgarnen. Hochmelodiös tropft der Titeltrack aus den Lautsprechern und  es scheint, als ob er trotz aller Melancholie die der Melodie innewohnt, der düsteren Landschaft den Mittelfinger zeigt und Hoffnung aufkeimen lässt.

Wer das Genre mag, sollte mal ein Ohr riskieren.


Line-up: Buchwald:

Andreas Buchwald (vocals, guitars, bass, keyboards)
Albi Husen (drums, percussion, keybords, bass, slide, harp)

And
Flow Steiner (additional drums)
Gregory Perrineau (vocals -#6)
Geneviéve Pasquier (backing vocals – #2)
Kathrin Symens (Lisbon field recordings)

Tracklist "Escape From What Life Is":

  1. What Colour Has Your Pain
  2. Rituals
  3. Dark Clouds
  4. Nightbird
  5. Corridor
  6. Artifacts
  7. Slow Poison
  8. Neverland
  9. Escape Form What Life Is

Gesamtpielzeit: 37:02, Erscheinungsjahr: 2023

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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