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Film 2 / Sorge – CD-Review

Film 2 / Sorge – CD-Review

»Wer hat’s erfunden?«

Ich denke, das was die drei Schweizer Elischa Elias und Jonas unter dem Bandnamen Film 2 so 'treiben', passt perfekt als Antwort auf die Eingangsfrage, wenn man nicht ausschließlich an Kräuterbonbons denkt.

Nein, Film 2 geht einen unkonventionellen Weg, was ihre Veröffentlichungen betrifft. Selbst die Musik an sich ist äußerst unkonventionell, doch dazu später mehr. Mir liegt eine CDR, also eine gebrannte CD vor; ein Promo- Exemplar, denn erhältlich ist "Sorge" nur als Download oder auf Vinyl.

Allerdings jeweils in drei Versionen. Der Song ist immer der gleiche, jedoch gespielt an drei verschiedenen Orten (Spinnerei, Bern; Studio Suze, Biel/Bienne; G5, Zürich) und aufgenommen sowie gemixt von verschiedenen Personen: »It’s the same song, which we took to 3 different spaces; played, recorded and mixed in 3 different contexts«.

Man kann sich beim Download für eine Version entscheiden, beim LP-Kauf allerdings nicht, denn man bekommt eine zufällige Version zugesandt. Es gibt auch pro Vinyl-Version nur 33 Exemplare, was erklärt, wieso es keine Rezensionsexemplare gibt. Zumal es auch nicht sicher wäre, ob sie besprochen würden, denn die Musik ist stellenweise schon sehr Undergound. »Düsterer, sinnlicher Krautrock« meint Film 2, was in Teilen zutrifft. Aber wie gesagt, zur Musik dann später noch etwas.

»Wer hat’s erfunden?«

Wenn das bis jetzt Geschriebene als eindeutige Antwort noch nicht reicht, dann machen wir mal weiter. Sie haben es nicht so mit den Streamingdiensten, wissen aber um die Konsequenzen, »auf die Reichweite der Streamingdienste zu verzichten. Aber eigentlich ist es auch krass, sich einfach den Bedingungen dieser Plattformen zu unterwerfen«. So nachzulesen in einem Interview (ohne Angabe, wer das geführt hat) auf der Bandseite. Und daher gibt es neben Vinyl und Download auch das Streamen, aber nicht auf so profane Weise wie das sonst so üblich ist.

Nein! Konnte und kann man den Vorgänger "Unbewusste Liebe" lediglich zum Sonnenauf- und Untergang streamen, so steht "Sorge" an jedem Voll- und Neumond bereit. Der nächste Termin ist dann am 04.06.2023 um 05:42:00.

Nun zur Musik des Trios, die ebenfalls nicht von der Stange ist. Ein Track mit einer Gesamtlänge von 42 Minuten also. Anhand der Spiellänge konnte ich meine Version identifizieren und das richtige Cover downloaden, denn die beiden anderen Versionen sind geringfügig kürzer bzw. länger.

Schaurig schön und hypnotisierend mäandert das Stück in die Gehörgänge. Drohend baut sich eine Kulisse auf, deren stoisch akribischer Rhythmus ängstlichen Naturen das Fürchten lehren kann. Nach etwa sechs Minuten ändert sich das Geschehen und es wird perkussiver, ohne allerdings die Choreografie und den Grundtenor substantiell zu verändern. Bass und vor allem das Schlagzeug bestimmen den Fluss des Lavastromes, der sich durch eine surreale Landschaft schiebt. Die Gitarre, effektvoll gespielt, regelt die Temperatur und den Grad der Gefahr, den die postapokalyptische Szenerie bittersüß vermittelt.

Wäre das Ganze ein Film statt Musik, so würde er den Zuschauer des Öfteren tief in den Sessel drücken. Dreieinhalb Minuten später gibt es wieder eine leichte Änderung des Flusses. Jesses, was tapezieren die drei Schweizer dem Hörer da eine gigantische Fantasievorlage ins Hirn. So vergehen die Minuten mit immer wieder ganz leicht verändertem Feeling in der düsteren Grundstimmung.
Tief psychedelisch und dronenhaft dampft das Kraut bzw. der gleichnamige Rock in Richtung 20 Minuten und nun muss auch der Musiker am Micro Dampf ablassen und ein paar Schreifetzen loswerden.

Brutaler als das, was in der 23. Minute passiert, kann ein Break kaum sein. Wahrscheinlich dachte die Band, dass kein Mensch mehr als 20 Minuten saugeile Musik verdient hat, denn was nun kommt ist Noise pur. Man stelle sich verschiedene großhubige Machinen vor, die man brummen lässt und das Mikrofon an das vibrierende Metall hält, während Musiker Nummer zwei ein paar Meter weiter im Geräteschuppen ein paar elektrische Handwerkzeuge auf korrekte Funktion überprüft. Fünfzig Meter entfernt mäht der dritte im Bunde Gras oder häckselt Geäst. Wie wir Handwerker wissen, kann das dauern. Eine gefühlte Ewigkeit später (Minute 31) gesellt sich zumindest instrumentale Perkussion dazu und konkurriert nun mit dem immer noch vorhandenen Lärm. Maschinen und Handwerkzeuge bäumen sich wie im Todeskampf auf, aber die Schlagwerkzeuge gewinnen langsam die Oberhand. Diesen Kampf, dessen Auslöser wohl nur die Künstler kennen, hätte es für mich nicht gebraucht.

Allerdings wird es einen Grund für diese Mischung aus Euphorie und Kakophonie geben, denn die Wasser, mit denen die Musiker gewaschen sind, lassen das erahnen. Zumal sich so langsam die Instrumente Terrain von den Maschinen zurückholen, ohne allerdings  zum »sinnlichen Krautrock« zurückzukommen.

Was für ein Trip. Vielleicht hatte ich das falsche Kraut oder den falschen Drink zum zweiten Teil des Tracks. Lotet es am besten selbst mal aus.


Line-up Film 2:

Elischa Heller (vocals, guitar)
Elias Bieri (bass)
Jonas Albrecht (drums)

Tracklist "Sorge":

  1. Welt (42:07)

Erscheinungsjahr: 2023

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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Mail: ulli(at)rocktimes.de

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