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Ernte 77 / Das rote Album – CD-Review

Ernte 77 ist eine Punk-Band aus Köln, »[…] die den Zeitgeist musikalisch auf- und angreift. Satirische Alltagsbetrachtungen und Absurditäten vermischen sich dabei mit eingängigen Melodien und teilweise mehrstimmigen Harmonien. […]«
So zu lesen auf der Ernte 77-Bandcamp-Seite.

"Gegessen wird zuhasue" kam im Frühjahr 2016 auf den Markt.
Es folgten "Noch ein tieferer Tiefpunkt" (2018), "Kippekausen" (Ende 2019) oder die EP "Zurückbleiben, bitte" (Anfang 2022).
Im Pressetext von Rookie Records steht unter anderem:
Neben Feier-Punk »[…] sind der Band auch deutliche politische Statements so wichtig wie noch nie. […]«
Okay, so etwas machen andere Bands, die nicht aus dem Punk kommen, auch.
Ernte 77 hat vierzehn Lieder mit einer Gesamtspielzeit von annähernd dreiundvierzig Minuten auf "Das rote Album" gebannt.

"Wer Feiern kann, kann auch ausschlafen" schießt wie in der Geschwindigkeit eines Schlittens durch den Eiskanal.
Speed kennt hier fast keine Grenze. Die Kilian-Gitarre rifft als wäre es der letzte Streich, Baum trommelt wie ein Irrwisch auf Felle und Backen und Kalles Finger lassen sich auf dem Fretboard seines Basses keinen Ruhemoment.

Bei Ernte 77 geht es mit Druck und Dampf nur geradeaus.Klasse!
Abwarten und Tee trinken, denn es kommt noch anders.
Die im Booklet abgedruckten Texte geben den Leuten vor den Lautsprechern die Gelegenheit, mitzusingen oder -gröhlen.
Ernte 77 nimmt sich auch die Freiheit, ihren Punk mit der NDW zu mischen. Diese Kombination kann man als gelungen ansehen, besonders wenn es um die Nummer "Die goldene Mitte" geht. Hinhörer!

The Ramones gibt es nicht mehr.
So ähnlich lautet das Statement in "Ernte 77 bereitet das zweite Punk-Revival vor". Da nimmt man den Mund aber ganz schön voll. Das zweite Revival? Vielleicht ist es schon das x-te. Egal, auch hier leert Ernte 77 den Power-Tank erheblich. Guter Song!
Kurzes psychedelisches Wirrwarr eröffnet "Zu Bier sag ich nie no". Schnell wird es etwas gemächlicher, fast schon balladesk. Allerdings übernimmt das Adrenalin in den musikalischen Ernte 77-Adern flott wieder die Rock-Oberhand.
Für die Ähnlichkeiten zur Gitarren-Eröffnung von "Im Flugmodus" muss die Formation keine Tantiemen zahlen, denn Erinnerungen an Pink Floyd werden nur in Ansetzen in Gang gesetzt. Sind ja auch nur so sechs Sekunden. Viel deutlicher ist die Sprache vom knarzenden Bass.

Ach, wie schön.
Ernte 77 lässt den Druck auch mal etwas raus, denn "Von der Musik leben" ist schon entspannte Mucke.
Für "Junge Erwachsene" gilt die weiter oben angeführte Eiskanal-These und "Xenon" ist dann der andere Song auf der vorliegenden Platte, die auch als LP beziehungsweise Digital verfügbar ist. Ernte 77 kann auch den New Wave. Auf geht es auf die Tanzfläche. Wer hätte so etwas in dieser Eindeutigkeit vermutet. "Xenon" belegt es.
Auch "Filterblase" sprengt den musikalischen Punk-Rahmen. Alternativ spielt das Trio, immer im Vergleich zu den anderen Tracks, seinen Chanson runter. Passt schon.
Bei "Ihr und euer Wir" kommt die Combo wieder in die Punk-Spur.

"Das rote Album" ruft »[…] einen neuen Haufen melodischer und schnörkelloser Ohrwürmer zutage. […]«
Dann viel Spaß.
Bleibt gesund und nehmt euch zur Ablenkung Zeit für gute Musik.


Line-up Ernte 77:

Kalle (vocals, bass)
Kilian (guitar)
Baum (drums)

Tracklist "Das rote Album":

  1. Wer Feiern kann, kann auch ausschlafen
  2. Nichts ist schön an Montabaur
  3. Die goldene Mitte
  4. Planeten im Test
  5. Ernte 77 bereitet das zweite Punk-Revival vor
  6. Zu Bier sag ich nie no
  7. Besoffen meditieren
  8. Mein Dildo ist wichtiger als Deutschland
  9. Im Flugmodus
  10. Von der Musik leben
  11. Junge Erwachsene
  12. Xenon
  13. Filterblase
  14. Ihr und euer Wir

Gesamtspielzeit: 42:52, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Joachim 'Joe' Brookes

Genres: Blues, Blues Rock, Alternative Music, Space Rock, Psychedelic Music, Stoner Rock, Jazz ...
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