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Marion Brown / Gesprächsfetzen & In Sommerhausen – CD-Review

Marion Brown / Gesprächsfetzen & In Sommerhausen

Erst kürzlich hatte ich den US-amerikanischen Jazz-Saxofonisten Marion Brown mit einem Konzert vom 24. April 1969 aus der 'Lila Eule' in Bremen vorgestellt.

Nun liegt eine Veröffentlichung mit zwei anderen Konzerten vor, ebenfalls von MIG. So stammen die ersten fünf Songs vom 20. September 1968, eingespielt im Modernen Theater in München und der Rest der CD vom 17. Mai 1969, aufgenommen im 'Bayerischen Staatskonservatorium der Musik' in Würzburg. Bei diesen Konzerten ist im Vergleich zum Bremer Auftritt als einziger Musiker der Schlagzeuger Steve McCall anwesend gewesen.

Durch die etwas geänderte Besetzung hat sich auch der Sound entsprechend anders dargestellt. So kann Gunter Hampel, der für seine intellektuelle und teils wilde Art seines Vortrags, hier sowohl mit dem Vibrafon als auch der Bassklarinette, entscheidende und wichtige Akzente setzen, wirkt er doch recht 'radikal' und scheint Marion Brown offensichtlich mitgerissen zu haben. Auf den 1969er Aufnahmen wird das noch von der damaligen Ehefrau von Hampel, Jeanne Lee, gesanglich unterstrichen.

Doch zunächst noch zu den Aufnahmen aus 1968, hier wird die Freiheit des Free Jazz ausführlich zur Schau gestellt. Es wird experimentiert, Grenzen werden ausgelotet und überschritten. Dieser freie Jazz ist mitunter recht 'anstrengend', man sollte sich darauf einlassen und sich nicht sperren oder dagegen auflehnen, wenn man einen Zugang finden möchte, zu dieser Mischung aus dissonanten, frei fließenden, aber auch mit ’schönen' Momenten versehenen Klangkaskaden. Besonders kommt das natürlich auf dem mit fast fünfzehn Minuten langen Eröffnungstitel "Gesprächsfetzen" zur Geltung.

Stärker ausdrücken kann sich Brown selbst auf seiner Komposition "Exhibit A", wo nur er sich mit dem Altsaxofon eindrucksvoll vorstellt. Die Wildheit des Openers wird dann auf der Steve McCall-Komposition "Babudah" ebenfalls reduziert und gestaltet auch diesen Titel ein wenig zugänglicher, schwingen hier doch tatsächlich sogar lyrische Momente und Passagen mit. Und auch "Aba", der abschließende Song, schwebt in einer eher beschaulichen und angenehmen Stimmung dahin, fast schon ein wenig verträumt.

Nun zu "In Sommerhausen": Das klingt nun doch wiederum anders, anders als das oben beschriebene Konzert und anders als das Konzert aus Bremen. Auch hier präsentiert sich mit dem ersten Stück das zugleich längste der Veröffentlichung. "Dance No.1" zeigt mir eine Hinwendung zur afrikanischen Kultur und gleichzeitig vernehme ich im Spiel des Protagonisten ganz viel Spiritualität eines John Coltrane. Schlagzeuger McCall präsentiert sich mit Polyrhythmik und nur Hampel lässt hier los mit seinem wilden Spiel auf dem Vibrafon. Ansonsten spürt man einen besonderen Groove, Freiheit und Struktur reichen sich die Hände. Auch Trompeter Ambrose Jackson unterstreicht das mit seinem Solo.

Und wenn sich Jeanne Lee dazugesellt mit ihrer tiefen soulvollen Stimme und McCall einen afrikanisch anmutenden Rhythmus vorlegt, dann gewinnt diese Musik einen ganz besonderen Groove. Sogar Hampel hält sich mit dem Vibrafon zurück und erzeugt mehr oder weniger fliegende Klangwolken dazu. Ja, "The Sound Of A Song" ist absolut hypnotisch und ein sehr starker Song!

Mit "Malipieros Midnight Theatre" wird es dann wieder frei und losgelöst, auf "Il Ne Chant Pas" läßt sich Drummer McCall ausführlich aus und mit "Dance No.2" erleben wir einen zweiten Teil dessen, was dieses Konzert startete, in etwa der gleichen Stimmung. Im Übrigen wurden beide Schallplatten seinerzeit auf dem Plattenlabel des Calig-Verlags in München veröffentlicht. Das ist sehr löblich, dass es beide nun auf dieser CD wiedervereint hat!


Line-up Marion Brown:

Marion Brown (alto saxophone)
Buschi Niebergall (bass – #1-5)
Daniel Laloux (bass, percussion – #6-11)
Steve McCall (drums, percussion)
Ambrose Jackson (trumpet, percussion)
Gunter Hampel (vibes, bass clarinet, percussion)
Jeanne Lee (vocals – #6-11)

Tracklist "Gesprächsfetzen (#1-5) & In Sommerhausen (#6-11)":

  1. Gesprächsfetzen (14:59)
  2. Exhibit A (2:54)
  3. Babudah (7:25)
  4. Tomorrow Is The Beginning Of The End Of Yesterday (3:23)
  5. Aba (6:30)
  6. Dance No. 1 (11:03)
  7. Exhibit B (3:32)
  8. The Sound Of A Song (7:56)
  9. Malipieros Midnight Theatre (8:29)
  10. Il Ne Chant Pas (6:15)
  11. Dance No. 2 (8:12)

Gesamtspielzeit: 80:42, Erscheinungsjahr: 2023

Über den Autor

Wolfgang Giese

Hauptgenres: Jazz, Blues, Country
Über mich: Althippie, vom Zahn der Zeit geprägt, offen für ALLE Musikstile
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Mail: wolfgang(at)rocktimes.de

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