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Drive Moya / The Light We Lost – CD-Review

Drive Moya / The Light We Lost

Wasser ist das Element des Lebens und ganz sicher auch ein festes Thema in der Musik. Schon das Cover-Artwork von Drive Moya führt uns in einen simplifizierten Ozean mit merkwürdigen bissfreudigen Bewohnern. Das Stilelement des weiten Wassers begegnet dem Hörer von den ersten Assoziationen des Albums, die Bissigkeit der Meerestiere hingegen spiegelt die Musik keinesfalls wider. Im Gegenteil, wir werden empfangen wie von einer angenehm umspülenden Welle wogenden Wassers, die uns nicht bedroht, sondern willkommen heißt.

"The Light We Lost" ist ein Gitarrenalbum, daran besteht kein Zweifel. Christian Jurasovich ist in Österreich bekannt für seine Soundtüfteleien, er wird uns auf Basis eines Post Rock-orientierten Konzepts mit allerlei Bezügen zur Musik der neunziger Jahre mit allen erdenklichen Effekten erfreuen, die man aus sechs Saiten extrahieren kann. Dabei verliert sich die Musik nie in düsteren Verzerrungen, sondern kreiert, unterstützt von einer sensiblen Begleitung durch Schlag und Bass, eine verstörend warme, angenehme und irgendwie mitnehmende Atmosphäre.

Mit "Cold Water", einer Single-tauglichen Auftaktnummer, bekommen wir klare Konturen und Kanten in der Musik, der Rhythmus treibt, die postrockigen Akkorde treiben akzentuiert und irgendwie klassisch für die Sounds der Achtziger und Neunziger in einem beschwingt melancholischen Drift voran. Wir treiben im Spiel der Wellen und das perlende kalte Wasser der Gischt scheint uns im Rhythmus der Wogen zu bewegen. Es spült uns hinein in das nicht minder sprudelnde "White Leaf". Ein gefälliger Sog nimmt nach reflektiven kurzen Meditationen Fahrt auf und erhebt sich zu den wildesten Breaks auf dem Album. Ein Ritt auf den Wellen, aber niemals allzu wild und gefahrvoll. Es scheint, als wolle uns die Weite des Ozeans absorbieren und mit uns verschmelzen.

Doch mit "Freezer" versinken wir endgültig in alles umhüllende Tiefen. Ohne Angst, ganz sanft und schwebend wie ein Blatt im milden Wind unter einer wärmenden Oktobersonne. Wer kennt sie nicht, diese Träume, in denen man dahin sinkt wie auf einem nicht enden wollenden Federkissen. Sigmund Freud hat drüber geschrieben und es kommt mir in den Sinn, dass auch der sehr viel mit Wien zu tun hatte. Drive Moya stammen auch dorther. Wunderschön mäandernde Gitarrenklänge korrespondieren mit dem gefühlvollen Gesang, der hier erstmals deutlich auf Juros Solostimme setzt. Bis dahin stand der psychedelisch mehrstimmige Gesang im Zusammenspiel mit Bassmann Simon deutlich im Vordergrund. Allerlei Effekte beackern den Hintergrund, während die Linie des Songs klar und transparent bleibt und zum Ende sehr sanft und entschleunigt ausklingt. Eine Stimmung, die "Dreamboy" kurz aufnimmt, um mit einem fast schon ein wenig poppigen Rhythmusgebaren entspannt groovend in eine fast heitere Melancholie führt, die dem Song mit seinen postrockigen Gitarrenlinien tatsächlich eine gewisse Massentauglichkeit verleiht. Die zweite Single. Wir schwimmen wie ein zufriedener Fötus in seinem Fruchtwasser und fühlen uns eins mit unserer Umgebung. Dieser eigenartig einnehmende Geist prägt das gesamte Album und die elektrische Gitarre versteht es mit eigentlich sehr mächtigen Wänden und Wellen, einen seltsam umschmeichelnden Kokon zu schaffen, der betörend wie ein Leben spendendes Element wirkt.

Hinsichtlich Dichte und Intensität bildet das wunderbar dahintreibende "In The End" ein absolutes Ausrufezeichen auf dem Album ab. Der Streicher-Einsatz sorgt für zusätzliche Dehnung, während "Violin" deutlich beschleunigte Akzente setzt. Auch hier finden wir Harmonien, die uns in die letzten beiden Jahrzehnte des vergangenen Jahrtausends zurückführen und die Stimmigkeit der Melodien und der klaren Linie im gesamten Album wird mir hier endgültig bewusst. Drive Moya entwickeln aus diesen Wurzeln, in denen hier und da ein wenig Shoegaze anklingt, einen sehr eigenständigen Duktus, der irgendwo zwischen den Stilen und Welten einen eigenen Platz für sich beansprucht. Coole Sache für ein Erstlingswerk!

In der letzten Nummer, "Song For Two (All The Light)", bedient man sich wie im ersten Stück noch einmal der Unterstützung durch ein wenig Synthesizer-Einsatz und lässt repetitive Hooks über ein hier leicht aufbrausendes Rhythmusgebaren agieren – das Ende hat einen guten Drive und hinterlässt den Zuhörer in einer energetisch aufgeladenen, positiven Stimmung. Die Tauchfahrt durch die virtuellen Wasserwelten der Wiener Drive Moya war eine Reise, die uns mit einem Lächeln im Gesicht entlässt.


Line-up Drive Moya:

Christian 'Juro' Jurasovich (guitar, vocals)
Simon Lee (bass, vocals)
Bernhard Weiß (drums)

guests:
Valentin Zopp (synthesizer #1,7)
Edi Hallulli (strings #5)

Tracklist "The Light We Lost":

  1. Cold Water
  2. White Leaf
  3. Freezer
  4. Dreamboy
  5. In The End
  6. Violin
  7. Song For Two (All The Light)

Gesamtspielzeit: 36:51, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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