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Hum / One – CD-Review

Hum / One

Hum kommen aus der Region Frankfurt und haben nichts mit der gleichnamigen Band aus Illinois, USA zu tun, die bereits seit mehr als drei Jahrzehnten aktiv sind. "One" ist ihr Debüt-Album, doch Harri, Martin und Stehn sind keine Neulinge, haben bereits in diversen anderen Projekten mitgewirkt. »Hum spielen langsamen, schweren Stoner Rock, mal hypnotisch einfach…mal progressiv«, schreibt der Promoter. Eine gute Portion Psychedelic darf man der Musik ebenfalls bescheinigen. Die dezent eingesetzten Samples und Sounds im Hintergrund sowie ein manchmal fast jazzig murmelnder Bass sorgen am ehesten für die gelegentlich aufbegehrenden progressiven Momente, werden aber immer wieder auch kontrastiert durch knackige Passagen und Gitarrensoli, die stimmungsmäßig recht nahe bei der düster meditierenden Gitarre von Robin Trower liegen, als er seine "Bridges Of Sighs" beschrieb.

Insgesamt fällt auf, dass die meisten Songs keinesfalls dem klassisch, einfachen Schema von Strophe und Refrain folgen, sondern vielmehr Stimmungsbilder vermittelt werden, die sich in aller Ruhe und stressfrei entwickeln dürfen. Dazu passt das leicht doomig verschleppte Tempo hervorragend, welches sich durch das gesamte Album zieht.

Das eintönig und sanft aufbegehrende Intro zu "In The End" hat ein wenig von den epischen Jams der Holländer The Machine, die auch gerne sehr getragen und zurückhaltend starten, um am Ende die Kühe fliegen zu lassen. Der schöne psychedelische Zweigesang hingegen führt auf die Spuren von The Universe By Ear. Dann aber war es das mit den Parallelen und es entwickelt sich ein seltsam hypnotischer Sog durch die Simplifizierung der eingebauten Sound-Sprenkel. Doch ein Flashback wartet bereits in "No More" und weist zurück in die frühen Achtziger. Die klaren schlichten Gitarrenakkorde und der prägnante Bass wecken Erinnerungen an die Hoch-Zeit von The Police, doch der Track entwickelt sich hier in eine gänzlich andere Richtung und wartet überraschend mit einem sehr schönen, fast Acid Rock-artigen Solo auf. Welcome Hippies… stand so ähnlich ja auch schon im Begleitmaterial. Stark.
"Creep" ist kurz, aber eine sehr nette Gitarrenarbeit, die einen Bezug zu einer rumänischen Band herstellt, auf die ich noch zu sprechen komme.

Improvisierte Kirchenglocken vom Blech und ein düsteres Intro mit wirklich tief gestimmten Saiten kreieren eine bedrohlich dunkle Atmosphäre, wie sie die Stoner-Jünger lieben. "Rise Of The Locust", die Heuschrecken kommen. Die Streicher-ähnlichen Soundschleifen und ein klares schönes Gitarrensolo konkurrieren teilweise recht gegenläufig und erzeugen eine eigenartig treibende Spannung, die aber keinesfalls mehr so bedrohlich klingt wie der Auftakt. Zum Ende wähnt man sich fast ein wenig im Post Rock, ein schöner Beleg für die progressiven Potentiale der Band.

"Rising High" startet dagegen mit einem fast funkig lässigen Groove, die hier hohe Sangesstimme passt dazu sehr gut. Es folgt ein Break in monotone Gitarrenschleifen, die aber von einem spannenden rhythmischen Gebräu aus brodelndem Schlag und pulsierendem Bass konterkariert werden. Da passt sich "Leaving Home" trefflich an und nimmt dann leicht orientalische Harmonien auf. Der Song hat einen vortrefflich hypnotischen Flow, man fühlt sich leicht der Welt entrückt – wie eine Fahrt über den Totenfluss auf dem Weg in den Hades, wenn man es düster mag. Eine starke Instrumentalnummer. "The Mantris" ist dann wieder so ein kurzes Interlude, welches aber mit den Bandoneon-ähnlichen Soundeinspielungen eine eigenartig geheimnisvolle Stimmung aufbaut.

Das herrlich sanft dahin treibende "Odyssey" entfaltet schön gefächerte, psychedelische Schichten, wo hier und da ein wenig der Geist der leider nicht mehr existierenden und bereits angekündigten Rumänen von The Egocentrics anklingt. Der Auftakt zu "T-Rex In Love" mit seinen dunklen, eintönigen Akkorden scheint inspiriert zu sein von Spielbergs "Jurassic Parc", wenn die mit ihrem Fahrzeug liegen gebliebene Gruppe dumpfe Einschläge verspürt und selbst den schlichtesten aller Betrachter klar wird, dass der große Bösewicht im Anmarsch ist. Das brachial geile Gitarrensolo entwickelt sich perfekt aus diesem bedrohlichen Szenario, näher ist man dem Stoner Rock nirgends auf dem Album. Doch der Song nimmt sozusagen eine romantische Wendung, denn schließlich heißt dieser ja "T-Rex In Love". Nun akzentuiert die Gitarre in sanften Schleifen im Hintergrund und der Bass elaboriert versonnen an der Solo-Front. Die Eingangs-Akkorde kehren jedoch zurück und jetzt wird’s richtig fuzzig mit Effekt behafteten Saitenklängen. Coole Nummer.
"Pilots" ist ein komprimierter Rausschmeißer mit hypnotischem Rhythmus, verspielten Sound-Applikationen, die hier fast wie eine Harfe klingen. Fast tranceartig verschmelzen Gitarre und Hintergrundklänge über diesem schweren und zähen Groove.

Die Zuordnung von Hum zum Stoner Rock ist grundsätzlich richtig, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Band auf vielen Pfaden bewegt und aus ihrer Grundorientierung sehr kreative Möglichkeiten entwickelt, was mir sehr gut gefällt. Die einzelnen Stücke sind sehr eigenständig und bedienen sich keiner klischeehaften Vorgaben, wie schon gesagt, typische Songstrukturen finden wir kaum vor, der Ansatz dieser Musik ist durchaus progressiv und gibt der Band dadurch einen hohen Wiedererkennungswert.
Mich hat dieses Konzept überzeugt, die Platte hat Spaß gemacht.


Line-up Hum:

Harri Gottschalk (guitar, vocals, sounds)
Martin Krause (bass, vocals)
Stehn Raupach (drums, vocals)

Tracklist "One":

  1. In The Ende
  2. No More
  3. Creep
  4. Rise Of The Locust
  5. Rising High
  6. Leaving Home
  7. The Mantis
  8. Odyssey
  9. Mayfly
  10. T-Rex In Love
  11. Pilots

Gesamtspielzeit: 38:32, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Paul Pasternak

Hauptgenres: Psychedelic Rock, Stoner Rock, Blues Rock, Jam Rock, Progressive Rock, Classic Rock, Fusion

Über mich

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